VG Ansbach: Begründung des Urteils zu Anzeigen gegen Falschparker
in dem von uns vertretenen Fall, bei dem die Datenschutzaufsichtsbehörde in Bayern (Bayerisches Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA)) gegen Bürger:innen vorging, die Falschparker fotografierten und bei den Ordnungsbehörden anzeigten (wir berichteten), liegt nun das Urteil im Volltext vor.
Wir stellen Ihnen nachfolgend die wichtigsten Ergebnisse und Aussagen des Urteils näher vor. Die wichtigsten Ergebnisse und Lehren aus dem Urteil sind die folgenden:
- Es ist rechtlich zulässig, Fotos von falschparkenden Kfz anzufertigen, die eine Verkehrsordnungswidrigkeit beweisen und die Fotos an Ordnungsamt oder Polizei weiterzuleiten. Es muss aber das Prinzip der Datenminimierung gewahrt werden, also es sollten keine anderen Kfz oder sonstige Verkehrsteilnehmer zu erkennen sein.
- Eine persönliche Betroffenheit des Anzeigenerstatters ist für das Vorliegen eines berechtigten Interesses nicht erforderlich! Das Gericht stellt klar, dass auch die abstrakte Gefährdung ausreichen kann, dass Verstöße durch Bürger:innen angezeigt werden können (die Verhältnismäßigkeit und Datenminimierung müssen aber berücksichtigt werden).
- Zudem sagt das Gericht ausdrücklich, dass 17 beanstandete Anzeigen eine „verhältnismäßig geringe Anzahl“ seien, also kein Hinweis auf eine Datenverarbeitung in einem unbegrenzten Ausmaß vorliege.
- Die Übermittlung kann über Dienste wie Weg.li oder Wegeheld erfolgen. Vorliegend legte das Gericht zu Grunde, dass Weg.li genutzt wurde, ging in den Entscheidungsgründen aber nicht näher darauf ein, sah also keine Bedenken.
- Die Verwarnung wegen der gesetzlich eingeräumten Möglichkeit, Anzeigen zu erstatten, stellt eine unzulässige Beschränkung der Rechte des Klägers und mithin eine Rechtsverletzung im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO dar.
- Die DSGVO findet auch auf solche Fotos Anwendung, da keine Haushaltsausnahme vorliegt (wir sehen das anders).
- Die Aufzeichnung und Weiterleitung der Fotos ist auf Basis der Interessenabwägung (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO) zulässig. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse, auch nach ErwG 50 S. 9 DSGVO, zudem wird durch Falschparker „zumindest die abstrakte Unfallgefahr für die übrigen Verkehrsteilnehmer, wie beispielsweise den Kläger und seine Kinder, erhöht“. Entgegenstehende Rechte können nur für den Kfz-Halter bestehen, nicht etwa durch die Polizeidienststellen. Aber:
„Es besteht gerade kein Anspruch auf Anonymität im Straßenverkehr, vielmehr muss das Kennzeichen eines Fahrzeugs stets gut lesbar (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 3 StVO) und mithin öffentlich zugänglich sein (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 – 6 C 7/13 – juris Rn. 24). Ein Fahrzeughalter muss gerade damit rechnen, dass ein mit seinem Fahrzeug begangener Parkverstoß dokumentiert und zur Anzeige gebracht wird. Dass eine solche Anzeige nicht nur durch die Verfolgungsbehörden, sondern auch durch Privatpersonen erfolgen kann, ergibt sich aus § 46 OWiG i.V.m. § 158 Abs. 1 StPO.
[…]
Zuletzt muss das Interesse der betroffenen Personen daran, nicht aufgrund der Begehung einer Ordnungswidrigkeit belangt zu werden, ebenfalls zurückstehen, da dem ein rechtswidriges Verhalten zugrunde liegt und es sich somit um ein nicht schutzwürdiges Interesse handelt.“
Insgesamt ist das Urteil also sehr zu begrüßen. Entgegen der verschiedentlich vertretenen Auffassung eines angeblich verwerflichen „Denunziantentums“ stellt das Gericht nüchtern fest, dass Bürger:innen ein weitgehendes Recht haben, mutmaßliche Verkehrsverstöße zu dokumentieren und den zuständigen staatlichen Stellen senden zu können. Die abstrakte Gefährdung aller Verkehrsteilnehmer:innen durch Falschparkende sei höher zu bewerten als das Interesse eines Halters am Schutz vor Verfolgung einer bestehenden Ordnungswidrigkeit. Zudem stellt das Gericht klar, dass keine ominöse „persönliche Betroffenheit“ nötig sei.
Dennoch bleibt es dabei, dass das Urteil kein Freibrief ist und Anzeigenerstatter:innen weiterhin darauf achten sollten, nur die relevanten Informationen zu dokumentieren, nicht aber andere Verkehrsteilnehmer. Zudem betrifft das Urteil nur Fälle, in denen die Fotos an die staatlichen Stellen weitergegeben werden.
Ihr Ansprechpartner und Pressekontakt zu dem Fall:
Dr. Matthias Lachenmann, Rechtsanwalt und Partner
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