Daten für die Wissenschaft: Das neue Forschungsdatengesetz
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) veröffentlichte am 28.2.2024 ein Eckpunktepapier für ein Forschungsdatengesetz (FDG). Das geplante Gesetz, das aus einem Auftrag des Koalitionsvertrags hervorgeht, zielt darauf ab, den Zugang zu Forschungsdaten zu verbessern und damit das ungenutzte Potenzial von Daten für wissenschaftliche Zwecke zu erschließen. Gleichzeitig soll die Vertraulichkeit von Forschungsdaten abgesichert werden.
Ziel des Forschungsdatengesetzes
Das FDG soll einen sektorenübergreifenden Ansatz verfolgen, der anstrebt, einen erleichterten Datenzugang in allen Forschungsbereichen zu ermöglichen. Das geplante Gesetz soll den bestehenden Rechtsrahmen ergänzen und verbessern, ohne spezifischere Regelungen zu verdrängen. Zu den spezifischeren Regelungen zählen neben den Sozialgesetzbüchern und medizinischen Registergesetzen zukünftig auch das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) sowie die EU-Verordnung zu einem European Health Data Space (EHDS) – wir berichteten. Das FDG soll in diesem Zusammenhang gemeinsame Rechtsbegriffe klären und die Anwendungsbereiche der verschiedenen Regelungen abgrenzen.
Datentreuhandstelle: das Micro Data Center
In seinem Eckpunktepapier stellt das BMBF das einzurichtende German Micro Data Center (GMDC) vor, welches den Zugang zu Statistik- und Registerdaten gewähren und für deren Verknüpfung untereinander zuständig sein soll. Als Datentreuhandstelle fungiert es als datenschutzrechtlich und technisch sichere Umgebung für Forschungsdaten und kann Verknüpfungen verschiedener Datensätze eigenständig vornehmen. Forschende sollen in einem zentralisierten Verfahren über das GMDC Zugang zu Daten erhalten. Es gibt aus unserer Sicht Klärungsbedarf, da sich die die Beschreibung der Zuständigkeiten eines Micro Data Centers weitgehend mit denen deckt, die das geplante GDNG dem bereits bestehenden Forschungsdatenzentrum in Hinblick auf Gesundheitsdaten zuweist. Der Wirkungsbereich der beiden Stellen bleibt im Eckpunktepapier offen. Zur Vermeidung von Doppelstrukturen werden hier voraussichtlich spezifischere Regelungen notwendig sein.
Gesetzlicher Anspruch: Zugang zu Daten der öffentlichen Hand
Der künftige Datenpool ermöglicht Forschenden zum einen den Zugriff auf amtliche Statistikdaten des Statistischen Bundesamtes – die in der Regel bereits umfassend veröffentlicht werden. Er soll sich aber auch auf andere Informationen erstrecken, die im Zusammenhang mit staatlichem Handeln stehen. Dazu zählen beispielsweise Daten aus den Bereichen Einwanderung und Migration oder Daten aus Verwaltungsregistern – etwa dem Handelsregister.
Daher sollen laut dem Eckpunktepapier gesetzliche Ansprüche für Forschungseinrichtungen und Hochschulen geschaffen werden, um die Nutzung von Daten in der öffentlichen Hand des Bundes verbindlich zu regeln. Die Nutzer:innen können dabei über einen Remote-Access Zugang personenbezogene, formal anonymisierte Daten einsehen.
Vernetzung von Forschenden über Metadatenkataloge
Ein zentraler Punkt des FDG sollen sogenannte Metadatenkatalogen sein. Bei Metadaten handelt es sich um übergeordnete Daten, welche die relevanten Forschungsdaten enthalten und dadurch kategorisieren. In den entsprechenden Katalogen werden die Metadaten systematisch geordnet und hinterlegt. Durch Ihre Nutzung soll die Auffindbarkeit von Forschungsdaten sowohl für öffentliche Forschungseinrichtungen als auch für private Unternehmen verbessert werden.
Öffentliche Forschungseinrichtungen sollen darüber hinaus verpflichtend, Metadatenkataloge anlegen und führen, um kurzfristig Metadaten zur Verfügung stellen zu können. Die Herausgabe von Forschungsdaten ist hiermit jedoch nicht verbunden und liegt weiterhin im Ermessen der Forschungseinrichtungen. Urheberrechtliche Fragen werden somit ausgeklammert. Um Forschende besser zu vernetzen kann über eine Metadatenplattform auf alle angelegten Katalogen zugegriffen werden. Das gestaltet das Auffinden relevanter Daten und ihrer Quellen effektiver. Die Suche nach geeigneten Forschungspartnern soll so ebenfalls leichter und zielgerichteter möglich sein.
Hochschulen und private Unternehmen sollen ebenfalls auf freiwilliger Basis Metadatenkataloge nach den einheitlichen Standards schaffen können und an die Metadatenplattform angeschlossen werden. Deutlich wird: der technische Schwerpunkt zur Umsetzung dieser Vorhaben erfordert die Entwicklung einheitlicher Anforderungen an Metadaten und Metadatenkataloge. Zu diesem Zweck plant das Eckpunktepapier eine Verordnungsermächtigung.
Policy Paper der Leopoldina zum FDG
Im Juni 2024 veröffentlichte die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina ein Policy Paper zum geplanten FDG. Drei Expert:innen aus Wirtschaftswissenschaft, Medizininformation und Rechtswissenschaft betonen darin, wie wichtig der verbesserte Zugang zu verknüpften Daten für die Forschung ist, um evidenzbasierte Politik zu ermöglichen. Das Gesetz sollte es der Forschung erleichtern, Daten aus unterschiedlichen Sektoren wie Steuern, Soziales und Statistik und zwischen föderalen Ebenen zu verknüpfen. Die Leopoldina befürwortet in diesem Zusammenhang die Idee des BMBF für ein German Micro Data Center als zentrale Datentreuhandstelle. Ein mögliches Hindernis sehen die Expert:innen in der strengen Auslegung der Datenschutzbestimmungen in Deutschland. Der Policy Brief unterstreicht die Notwendigkeit, rechtliche Rahmenbedingungen anzupassen, um einen praxistauglichen Umgang mit personenbezogenen Daten in der Forschung zu ermöglichen – etwa durch die Verlängerung der bisher geltenden Löschfristen, damit wichtige Daten langfristig verfügbar bleiben. Die Einschätzung der Leopoldina könnte dazu beitragen, das geplante Forschungsdatengesetz stärker an den Bedürfnissen der Wissenschaft auszurichten, da er konkrete Vorschläge zur Verbesserung des Datenzugangs liefert. Allerdings ist zu bedenken, dass eine Lockerung der Datenschutzvorgaben, insbesondere in sensiblen Bereichen, sorgfältig abgewogen werden muss, um den Schutz der Privatsphäre nicht zu gefährden.
Fazit: Ein Schritt in die richtige Richtung mit offenen Fragen
Das geplante FDG verspricht, den Zugang zu Forschungsdaten zu verbessern, ungenutztes Potenzial von Daten für wissenschaftliche Zwecke zu erschließen und dabei die Vertraulichkeit der Daten nicht aus den Augen zu verlieren. Die Schaffung klarer rechtlicher Rahmenbedingungen und der verbesserte Zugriff auf diese Daten hat somit das Potenzial, die deutsche Forschungslandschaft zu stärken und ihre Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Ebene auszubauen.
Groß angelegte Metadatenkataloge allein garantieren jedoch nicht, dass die bereitgestellten Daten qualitätsgesichert und verlässlich sind. Es bedarf an dieser Stelle zusätzlicher Maßnahmen, die die Hochwertigkeit der Daten sicherstellen und so den Nutzen für die Forschung sichern.
Auch mit Blick auf die beim Staat umfassend vorhandenen sensiblen Daten, beispielsweise aus den Bereichen Wohnen, Migration oder Arbeit und Arbeitslosigkeit, ist besondere Vorsicht geboten. Während das FDG darauf abzielt, den Datenschutz forschungsfreundlicher auszurichten, muss sichergestellt werden, dass die Forschung auch datenschutzfreundlich ausgestaltet wird. Damit die Rechte der Betroffenen angemessen geschützt werden und der Austausch von Daten nicht zulasten der Privatsphäre erfolgt, wird ein Gesetzesentwurf hierzu umfangreicher Stellung beziehen müssen.
Ihre Ansprechpartner für Datenschutz in der Forschung
Dr. Philip Lüghausen
Tel.: +49 221 / 270 956 – 210; E-Mail: philip.lueghausen@bho-legal.com
Dr. Matthias Lachenmann
Tel.: +49 221 / 270 956 – 180; E-Mail: matthias.lachenmann@bho-legal.com