Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – Änderungen zum Regierungsentwurf und erste Handlungspflichten für Unternehmer
Nach langem zähem Ringen wurde am 16. Juli 2021 das „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ – kurz Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder LkSG – vom Bundestag verabschiedet, welches am 1. Januar 2023 in Kraft treten wird. Nachdem wir schon im Mai über den damaligen Regierungsentwurf berichtet hatten (https://www.bho-legal.com/compliance-in-der-lieferkette-das-neue-gesetz/), wollen wir im Folgenden auf die Neuerungen in dem nun verabschiedeten Gesetz eingehen sowie auf mögliche Probleme und erste Handlungshinweise, die von Unternehmen beachtet werden müssen.
Wichtige Änderungen
Im Vergleich zum Referentenentwurf sind im Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zwei wesentliche Änderungen bemerkenswert: 1. Die Adressaten des Gesetzes werden nun auch auf ausländische Unternehmen mit Zweigniederlassung in Deutschland erweitert. 2. Die Definitionen, welche „menschenrechtliche und umweltbezogenen Risiken“ bei Zulieferern zu berücksichtigen sind, wurden erweitert.
Adressaten des Gesetzes
Das Gesetz findet Anwendung auf Unternehmen mit Sitz in Deutschland, wenn bestimmte Grenzwerte an Arbeitnehmern überschritten sind (§ 2). Das sah der Regierungsentwurf schon so vor, die finale Fassung ändert die Berechnung der Grenzwerte.
Der Entwurf beschränkte die Anwendung noch auf Unternehmen mit einer Hauptverwaltung, Hauptniederlassung oder dem satzungsgemäßen Sitz im Inland. Die finale Fassung erweitert den Anwendungsbereich auch auf ausländische Unternehmen, die gem. § 13d HGB eine Zweigniederlassung im Inland mit Arbeitnehmern über dem Grenzwert haben. Das Gesetz hat, gem. § 2 Abs. 6, direkt nur Wirkung auf die Zweigniederlassung selbst, soweit sie nicht selber eine Obergesellschaft für weitere verbundene Unternehmen mit bestimmendem Einfluss ist. Eine indirekte Fortwirkung auf andere Firmenbestandteile eines internationalen Konzernes ist aber nicht auszuschließen, soweit die anderen verbundenen Unternehmen als Zulieferer zu klassifizieren sind.
Bestehen bleibt die Grenze, dass das Gesetz nur auf Unternehmen mit zuerst mehr als 3.000 Arbeitnehmern, ab dem 1. Januar 2024 mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern Anwendung findet. Verbundene Unternehmen gem. § 15 AktG werden als Einheit gezählt. Leiharbeiter, die mehr als 6 Monate in einem Unternehmen tätig sind, werden ebenfalls berücksichtigt. Eine Neuerung hingegen ist, dass die Arbeitnehmerzahl sich nur auf Arbeitnehmer bezieht, die im Inland beschäftigt sind oder Arbeitnehmer aus Deutschland, die ins Ausland entsandt wurden.
Menschenrechtliches Risiko
Das Gesetz soll Unternehmen verpflichten, menschenrechtliche Risiken zu minimieren. Der Begriff wird in § 2 Abs. 2 LkSG definiert. Davon werden folgende Maßgaben erfasst:
- Kinderarbeit
- Zwangsarbeit
- Sklaverei und sklavenähnliche Praktiken
- Missachtung des Arbeitsschutzes
- Verstöße gegen die Koalitionsfreiheit
- Ungleichbehandlung von Beschäftigten entgegen Gleichheitsgrundsätze
- Zwangsräumung
- Nutzung von Sicherheitskräften zur Verletzung von Rechten
- Vorenthalten eines angemessenen Lohnes
- Herbeiführung von schädlichen Umwelteinflüssen, die die Lebensgrundlage und die Gesundheit der Bevölkerung beschädigen
Hier, in Erweiterung des Referentenentwurfes, sind neu das Vorenthalten eines angemessenen Lohnes und die Herbeiführung von schädlichen Umwelteinflüssen, die die Lebensgrundlage und die Gesundheit der Bevölkerung beschädigen, hinzugetreten.
Umweltbezogene Risiken
Weiterhin werden Unternehmen verpflichtet, umweltbezogene Risiken zu addresieren, die in § 2 Abs. 3 LkSG definiert werden. Hier wurde schon von der Bundesregierung vorgesehen, dass folgende Verhaltensweisen als Risiko eingestuft werden:
- Schädliche Verwendung von Quecksilber
- Die Nutzung von Chemikalien nach Art. 3 Abs. 1 des Stockholmer Übereinkommens über persistente organische Schadstoffe
- Die nicht umweltgerechte Handhabe, Sammlung, Lagerung und Entsorgung von Abfällen
Das final verabschiedete Gesetz hat die umweltbezogenen Risiken um die Aus- und Einfuhr gefährlicher Abfälle entgegen des „Baseler Übereinkommens über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung“ erweitert.
Regelungen für die öffentliche Beschaffung
Mit dem Gesetz werden zudem Regelungen für die öffentliche Beschaffung eingeführt. § 22 LkSG regelt einen neuen Ausschlussgrund für Unternehmen von der Vergabe öffentlicher Aufträge. So führt ein Verstoß gegen die Vorschriften des LkSG zum Ausschluss aus dem Vergabeverfahren, wenn dieser Verstoß mit einer Geldbuße von mindestens 175.000 EUR geahndet wurde. Der Verweis auf § 22 LkSG wird in § 124 Abs. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ergänzt. Anzumerken ist zudem, dass dem Ausschluss eine Anhörung des betroffenen Unternehmens vorausgehen soll. Der Ausschlussgrund kann für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren oder bis zur nachgewiesenen Selbstreinigung gemäß § 125 GWB gelten.
Parallel dazu soll auch das Wettbewerbsregistergesetz (WRegG) geändert werden. In das Wettbewerbsregister sollen künftig Ordnungswidrigkeiten, die einen Ausschluss gemäß dem LkSG auslösen können, eingetragen werden.
Regelungen mit Konfliktpotential
Mehrere Bereiche dieses neuen Gesetzes deuten auf Konflikte im internationalen Handel hin, da diese Regelungen nicht nur den Handel mit Entwicklungs- und Schwellenländern beeinflussen können, sondern auch mit etablierten Industrienationen. So ist es zweifelhaft, ob die Situation in den USA den Voraussetzungen der Koalitionsfreiheit und der Schutz der Bevölkerung vor Umweltschäden genüge getan wird. Zudem werden teilweise Standards verlangt, denen die deutsche Gesellschaft selbst nicht genügt. Gerade bei der gleichen Bezahlung für gleiche Arbeit erfüllt Deutschland noch nicht die hier gesetzten Standards.
Koalitionsfreiheit
Gem. § 2 Abs. 2 Nr. 6 LkSG können Handlungspflichten für betroffene Unternehmen bestehen, wenn ihre Zulieferer gegen die Koalitionsfreiheit verstoßen. Im speziellen wird eine Missachtung darin gesehen, wen Arbeitnehmer daran gehindert werden sich frei in einer Gewerkschaft zusammenzuschließen oder einer beizutreten, Gründung oder Beitritt zu einer Gewerkschaft zu Diskriminierungen oder Vergeltungsmaßnahmen führen, und wenn die freie Betätigung von Gewerkschaften behindert wird.
Die deutsche Gewerkschaftskultur wird international oft nicht geteilt. Gerade Nationen wie die USA sind dafür bekannt, dass Unternehmer regelmäßig gegen die Formung und Handlungen von Gewerkschaften vorgehen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes müssten somit deutsche Unternehmen auch auf amerikanische Unternehmen einwirken, dass diese eine liberaleren Umgang mit Gewerkschaften zulassen.
Herbeiführen von Umweltschäden, die die Lebensgrundlage der Bevölkerung gefährden
Gem. § 2 Abs. 2 Nr. 9 des LkSG ist es eine verbotene Tätigkeit, schädliche Bodenveränderungen, Gewässerverunreinigungen, Luftverunreinigungen, Lärmemissionen oder ein übermäßiger Wasserverbrauch, der die Grundlage zum Erhalt und der Produktion von Nahrung erheblich beeinträchtigt, Trinkwasser verunreinigt, den Zugang zu Sanitäranlagen behindert oder die Gesundheit von Personen schädigt.
Auch wenn bei derartigen Praktiken die Situation von Entwicklungs- und Schwellenländern in den Sinn kommen, so gibt es auch Industrieländer mit erheblicher Deregulierung von Umweltstandards. Beispielsweise die Praxis des Frackings in den USA ist mit gesundheitsschädlichen Umweltverunreinigungen verbunden. Gerade die Deregulierung von Naturschutzregularien, die unter der Trump-Präsidentschaft erfolgten, erhöht das Risiko, dass amerikanische Unternehmen von diesem Gesetz erfasst werden könnten.
Zahlung des gleichen Entgeltes
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verlangt,§ 2 Abs. 2 Nr. 7, dass gleiche Arbeit mit gleichem Lohn vergolten wird, unabhängig von Eigenschaften, die unter den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 2, 3 GG fallen.
In Anbetracht dessen, dass, Stand 2020, der bereinigte Gender Pay Gap (also nur, wo der Lohn gleichwertiger Arbeit verglichen wird) in Deutschland 6% beträgt https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/03/PD21_106_621.html) ist es fraglich, inwieweit diese Regelung von Zulieferern im Ausland verlangen darf, was die deutsche Gesellschaft nicht gemeistert hat.
Vermutlich wird sich in der Praxis ein bereinigter Gender Pay Gap herauskristallisieren, der noch mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz vereinbar ist. Bis dahin wird diese Regelung aber zu Rechtsunsicherheit führen, da nicht klar ist, in welchem Rahmen Ungleichbezahlung noch akzeptiert werden kann und wann tatsächlich Handlungsbedarf besteht.
Unseren Mandanten und auf Anfrage per E-Mail stellen wir weiterhin eine Übersicht mit konkreten Handlungsempfehlungen bereit. Ihr Ansprechpartner für weitere Fragen: Dr. Matthias Lachenmann