Die Schutzvorschriften für Whistleblower – das Hinweisgeberschutzgesetz
Das Hinweisgeberschutzgesetz markiert einen bedeutenden Schritt in Richtung einer transparenteren Unternehmenskultur. Das HinSchG soll Personen, die Verstöße gegen Gesetze, Missstände oder unangemessenes Verhalten in Unternehmen und Behörden melden, Rechtssicherheit und Schutz bieten. Das Gesetz enthält Maßnahmen, die Hinweisgeber:innen vor Benachteiligungen wie beispielsweise Kündigungen oder Diskriminierung am Arbeitsplatz schützen sollen. Es regelt auch die Vertraulichkeit von gemeldeten Informationen und ermöglicht es den Whistleblowern, ihre Anliegen anonym zu übermitteln.
In unserem Artikel beleuchten wir das Gesetz, wie Whistleblower:innen geschützt werden sollen und welche Pflichten für Unternehmen bestehen.
Welche Personen und Hinweise fallen unter den Schutz des neuen Gesetzes?
Das neue Hinweisgeberschutzgesetz zielt darauf ab, Informationen über Rechtsverstöße, insbesondere gegen Straf- und Ordnungsvorschriften, zu schützen (§ 2 Abs. 1 HinSchG). Whistleblower – also Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen oder dienstlichen solche Informationen an die im Gesetz vorgesehenen Meldestellen melden möchten – gelten als hinweisgebende Personen und können sich gegenüber Unternehmen auf das Hinweisgeberschutzgesetz berufen (§ 1 Abs. 1 HinSchG). Der Schutz des neuen Gesetzes erstreckt sich außerdem auf die Personen, über die eine Meldung gemacht wird oder die sonst von einer Meldung oder Offenlegung betroffen sind (§ 1 Abs. 2 HinSchG, z. B. Personen, denen Fehlverhalten vorgeworfen wird).
Es gibt jedoch Ausnahmen. Beamte auf Landes- und Kommunalebene sowie Privatpersonen sind nicht inbegriffen. Ein Kompromiss zwischen Bundesrat und Bundestag hat den Anwendungsbereich des Gesetzes insoweit eingegrenzt, als dass nur Fälle innerhalb spezieller beruflicher Kontexte erfasst werden. Das bedeutet, dass der Schutz des neuen Gesetzes nur dann gilt, wenn sich die Informationen auf den eigenen Arbeitgeber oder eine andere Stelle beziehen, mit der die hinweisgebende Person beruflich in Verbindung stand.
Zweigleisiges Meldesystem: interne und externe Stellen
Kern des neuen Gesetzes ist, dass den hinweisgebenden Personen Meldestellen zur Verfügung stehen müssen, damit sie relevante Informationen im Zusammenhang mit ihrem beruflichen Umfeld vertraulich abgeben können. Das Hinweisgeberschutzgesetz sieht vor, dass Meldungen auf zwei verschiedene Arten gemacht werden können:
- Potenzielle Whistleblower sollen die Möglichkeit haben, ihre Informationen entweder innerhalb ihres Unternehmens an eine spezielle Stelle oder
- an eine unabhängige externe Stelle weiterzuleiten (§ 7 Abs. 1 HinSchG).
Ursprünglich standen die beiden verfügbaren Meldesysteme in dem Gesetzesentwurf ohne Priorisierung nebeneinander. Allerdings stellt das Gesetz klar, dass Meldungen an interne Stellen primär vorzunehmen sind, wenn das Unternehmen effektiv gegen Verstöße vorgehen kann (§ 7 Abs. 1 S. 1 HinSchG). Diese Vorschrift birgt aus Sicht des Arbeitgebers den Vorteil, dass Meldungen in vielen Fällen zunächst nicht das Haus verlassen werden.
Auf Bundesebene wurde beim Bundesamt für Justiz eine zentrale externe Meldestelle geschaffen (§ 19 HinSchG). Die Zentralisierung dient dem Zweck, komplizierte Zuständigkeitsregelungen für die Whistleblower zu vermeiden. Neben dieser Meldestelle sollen die BaFin und das Bundeskartellamt als externe Meldestelle für Meldungen im Bereich des Finanzsektors bzw. bei kartellrechtlichen Verstößen dienen (§ 21 und § 22 HinSchG). Die Länder haben zudem die Möglichkeit, eigene Meldestellen zu errichten (§ 20 HinSchG). Die Aufgaben der externen Meldestellen gehen über die der internen Meldestellen hinaus (siehe §§ 24 – 31 HinSchG). Insbesondere unterliegen sie weitreichenderen Informations- und Beratungspflichten – so müssen externe Meldestellen Whistleblower beispielsweise unabhängig über Verfahren zum Schutz vor Repressalien am Arbeitsplatz beraten (§ 24 Abs. 2 S. 1 HinSchG) und klare und leicht zugängliche Informationen über ihre jeweiligen Meldeverfahren bereitstellen (§ 24 Abs. 4 S. 1 HinSchG).
Pflichten für Unternehmen bei Einrichtung interner Meldestellen
Arbeitgeber mit mehr als 50 Beschäftigten und Dienststellen des Bundes oder der Länder sind verpflichtet, interne Meldestellen einzurichten (§ 12 HinSchG). Die Stellen müssen bestimmte Anforderungen erfüllen, die sicherstellen, dass Hinweise angemessen behandelt werden (§§ 13 – 18 HinSchG). Dazu gehört die Unabhängigkeit der Personen, die in der Meldestelle arbeiten (§ 15 Abs. 1 HinSchG), der klare Ablauf nach Eingang einer Meldung (§ 17 HinSchG) sowie die festgelegten Schritte, die im Anschluss unternommen werden müssen, um den Hinweisen gerecht zu werden (§ 18 HinSchG).
Zentral ist in diesem Zusammenhang die Vertraulichkeit der Meldungen (§ 8 HinSchG). In den Unternehmen dürfen die Informationen, die im Zusammenhang mit einer Meldung stehen, normalerweise nicht offengelegt werden. Das gilt sowohl für die Meldestelle als auch für die Person, die den Hinweis gegeben hat (Ausnahmen in § 9 HinSchG). Um vom Gesetz geschützt zu werden, müssen Whistleblower ihre Informationen zwingend über die vorgesehenen Meldestellen weitergeben (§ 32 HinSchG).
Abweichend von dem ursprünglichen Gesetzesentwurf sieht das HinSchG vor, dass anonyme Meldungen in den Unternehmen ermöglicht werden sollen, aber nicht verpflichtend sind. Interne und externe Meldestellen „sollen“ anonyme Meldungen lediglich bearbeiten, eine Pflicht besteht also nicht (§ 16 Abs. 1 und § 27 Abs 1 HinSchG). Dies betrifft sowohl interne als auch externe Meldestellen und bedeutet, dass hinweisgebende Personen de facto gezwungen sind, die Informationen unter Angabe ihres Klarnamens abzugeben.
Unternehmen müssen sich nun damit auseinandersetzen, ein Meldesystem einzuführen und zu diesem Zweck einen geeigneten Meldekanal zu identifizieren. Zur Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes können vielfältige Meldewege eingesetzt – beispielsweise digitale Hinweisgebersysteme, aber auch klassische Medien wie Telefon und E-Mail. Da Meldungen in der Regel personenbezogene Daten – zumindest der Whistleblower, oft auch von Dritten – beinhalten, müssen sich Unternehmen im Kontext des Hinweisgeberschutzgesetzes vor allem auch mit Datenschutzaspekten auseinandersetzen. Bei der Implementierung eines Hinweisgebersystems sind die Prinzipien des Datenschutzes durch technische Gestaltung und datenschutzfreundliche Voreinstellungen der Meldekanäle (Art. 25 DSGVO) sicherzustellen. Darüber hinaus wird die Durchführung einer Datenschutz-Folgenabschätzung in Bezug auf die Einrichtung eines Hinweisgebersystems erforderlich sein, um mögliche erhebliche Risiken für die betroffenen Personen zu erkennen, zu bewerten und Maßnahmen zur Risikominimierung festzulegen (Art. 35 DSGVO).
Schutzvorschriften und Sanktionen
Ziel der umfangreichen Schutzvorschriften (§§ 33 – 39 HinSchG) ist es, die Whistleblower vor befürchteten Repressalien durch die Unternehmen oder einzelne Beschäftigte, die ihnen durch ihre Meldungen drohen, zu schützen. Zur Umsetzung des Ziels beschreibt das Gesetz, was „Repressalien“ sind und führt eine Beweislastumkehr ein.
Repressalien im Sinne des HinSchG sind Handlungen oder Unterlassungen im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit, die eine Reaktion auf eine Meldung oder eine Offenlegung sind und durch die der hinweisgebenden Person ein ungerechtfertigter Nachteil entsteht oder entstehen kann (§ 3 Abs. 6 HinSchG). Umfasst sind beispielsweise Kündigungen, Mobbing, Disziplinarmaßnahmen oder Versagung einer Beförderung. Das Ergreifen von Repressalien gilt nach dem HinSchG als Ordnungswidrigkeit (§ 40 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 36 Abs. 1 S. 1 HinSchG) und kann auch einen (verschuldensunabhängigen) Schadensersatzanspruch der Whistleblower nach sich ziehen (§ 37 Abs. 1 HinSchG). Die Maximalsummen für Bußgelder werden nach dem Kompromiss im Vermittlungsausschuss von 100.000 Euro auf 50.000 Euro reduziert (§ 40 Abs. 6 S. 1 HinSchG).
Positiv für Whistleblower wirkt sich die in § 36 Abs. 2 HinSchG vorgenommene Beweislastumkehr aus. Es wird vermutet, dass – wenn eine hinweisgebende Person nach einer Meldung oder Offenlegung eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit erfährt – es sich um eine Repressalie im Sinne des HinSchG handelt. Die Beweislastumkehr wurde nach Vorschlag des Vermittlungsausschusses jedoch insofern abgeschwächt werden, als dass sie nur gilt, wenn die hinweisgebende Person sie ausdrücklich geltend macht.
Fazit
Das HinSchG legt Unternehmen zahlreiche Verpflichtungen auf und stellt insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bei der Umsetzung Herausforderungen stellen. Die Schonfrist für Unternehmen mit in der Regel 50 bis 249 Mitarbeiter:innen ist bereits am 17. Dezember 2023 abgelaufen und auch kleinere Betriebe müssen die Vorgaben des HinSchG daher bereits umsetzen. Für KMU wurde die Umsetzung des neuen Gesetzes durch die Möglichkeit, mit anderen Unternehmen gemeinsame Meldestellen zu schaffen und so Ressourcen zu bündeln, erleichtert (Art. 14 Abs. 2 HinSchG). Unternehmen stehen nun vor der Herausforderung, die internen Meldewege leicht zugänglich, transparent und effektiv auszugestalten, um von der neuen Regelung zu profitieren, die eine primäre interne Meldung vorschreibt. Hieraus ergibt sich für Arbeitgeber:innen die Möglichkeit, Missstände zunächst intern aufklären zu können, ohne dass direkt eine Behörde eingeschaltet wird.
Für Unternehmen ist es zudem von Vorteil, dass zukünftig klare Regeln für den Umgang mit Whistleblowern bestehen und sich festgelegte Strukturen für die Entgegennahme von Hinweisen und das anschließende Verfahren etablieren. Schließlich ist das möglichst frühzeitige Aufklären von Rechtsverstößen im Interesse aller Arbeitgeber:innen und Dienststellen. Auch in der äußeren Wahrnehmung kann eine gewissenhafte Umsetzung der Pflichten aus dem HinSchG die Integrität des Unternehmens fördern und seine Attraktivität für potenzielle Mitarbeiter:innen steigern.
Gleichzeitig führen die Kompromisse aus dem Vermittlungsausschuss zu einer signifikanten Abschwächung der Regelungen. Im Ergebnis müssen sich hinweisgebende Personen nun in aller Regel mit Klarnamen zunächst an eine interne Meldestelle wenden. Die Kumulation von dem Wegfall der Pflicht, anonyme Meldungen anzunehmen und der Priorisierung von internen Meldestellen könnte für viele Betroffene abschreckend wirken. Dennoch bedeuten die neuen Regelungen für potenzielle Hinweisgeber:innen Rechtssicherheit und garantieren mehr Schutz und Unterstützung für ein engagiertes Verhalten, das im allgemeinen Interesse der Gesellschaft liegt.
Ihr Ansprechpartner/Ihre Ansprechpartnerin für Compliance:
Dr. Philip Lüghausen
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