Der Digital Services Act II – Handlungsbedarf auch für KMU?
Mit dem Digital Services Act zieht die EU-Kommission „Anbieter digitaler Dienste“ für die Bekämpfung illegaler Inhalte im Internet umfangreicher als bislang zur Verantwortung. Allerdings sollen Unternehmen nur ihrer Art und Größe entsprechend reguliert und so nicht durch übermäßige Bürokratie und/oder Kosten überfordert werden („asymmetrische Pflichtenverteilung“). Das soll nicht zuletzt zu einem fairen Wettbewerb beitragen, in dem monopolartige Digitalanbieter gegenüber kleineren Unternehmen verschärfte Verpflichtungen übernehmen müssen.
In diesem Beitrag stellen wir dar, unter welchen Voraussetzungen der Digital Services Act Kleinst-, Klein- und Mittelständische Unternehmen (KMU) betrifft und an welchen Stellen sich auch für sie Handlungsbedarf durch die neue Verordnung ergibt. KMU sind nach Mitarbeiter:innenzahl, Umsatz und Bilanzsummer von Großunternehmen abzugrenzen. Als KMU werden Unternehmen definiert, wenn in diesen nicht mehr als 249 Personen beschäftigt sind, der jährliche Umsatz 50 Millionen Euro und die jährliche Bilanzsumme 43 Millionen Euro nicht übersteigt (EU-Empfehlung 2003/361).
Haftungsprivilegierung bei rechtswidrigen Inhalten
Soweit Unternehmen Dienste anbieten, die Inhalte im Netz lediglich passiv übermitteln, werden sie nicht für jeden illegalen Inhalt haftbar gemacht. Darin ist eine Fortführung der Grundsätze der eCommerce-RL zu sehen. Konkret begünstigt die Haftungsprivilegierung Access-, Caching- und Hosting-Provider (künftig: Art. 4 – 6 DSA). Auf der anderen Seite ist die Haftungsprivilegierung nicht anwendbar, wenn die geforderte Neutralität nicht vorliegt, bspw. durch ein aktives Wahrnehmen oder Verändern der Inhalte durch den Dienst.
Unterscheidungskriterien der eCommerce-RL zu aktivem und passivem Übermitteln von Inhalten und die entsprechende Rechtsprechung des EuGH bleiben bestehen und werden von den Art. 4 – 6 DSA ergänzt. Die Anbieter von Vermittlungsdiensten (Vermittlungsdienste sind in Art. 1 Abs. 1 DSA definiert, näheres dazu in unserem Blogbeitrag ‚Digital Service Act I‘) unterliegen dabei schließlich weder einer allgemeinen Überwachungspflicht, noch einer aktiven Nachforschungspflicht bzgl. rechtswidriger Inhalte (Art. 8 DSA). Sollten Unternehmen jedoch freiwillige Nachforschungen zu rechtswidrigen Inhalten innerhalb ihres Vermittlungsdienstes anstellen, bleiben sie weiterhin nach den Regeln der Verordnung von der Haftung ausgeschlossen, vgl. Art. 7 DSA (sog. Guter Samariter-Prinzip).
Sorgfaltspflichten für alle Anbieter von Vermittlungsdiensten
Kapitel III des DSA begründet für die Anbieter von Vermittlungsdiensten Sorgfaltspflichten gegenüber Nutzer*innen zusätzlich zu möglicherweise bestehenden vertraglichen Ansprüchen. Alle Unternehmen – somit auch KMU, die Vermittlungsdienste anbieten (wie z.B. Cashing- oder Hostingdiensteanbieter, aber auch Online-Plattformbetreiber) – unterliegen beinahe ausnahmslos den Pflichten aus Art. 11 – 15 DSA. Zu diesen Pflichten gehört:
- die Einrichtung von zentralen Kontaktstellen, um eine unmittelbare elektronische Kommunikation sowohl mit nationalen und Unions-Behörden als auch mit Nutzer:innen zu ermöglichen ( 11 und 12 DSA).
- Die Verordnung bestimmt weitergehend, dass die AGB in eindeutiger, verständlicher und benutzerfreundlicher Sprache transparent formulieren müssen, wie die Inhaltemoderation ausgestaltet ist (Art. 14 DSA).
- Nicht zuletzt unterliegen alle Unternehmen, die Vermittlungsdienste bereitstellen, der Pflicht, jährliche Transparenzberichte über das Löschen und Sperren von Inhalten zu veröffentlichen (Art. 15 DSA). Hier findet jedoch die erste Pflichtenabstufung statt: Nur mittelständische Unternehmen müssen die Transparenzberichte erstellen, da Klein- und Kleinstunternehmer davon ausgenommen sind (Art. 15 Abs. 2 DSA). Mittelständische Unternehmen die Online-Plattformen betreiben treffen zudem erweiterte Berichtspflichten (nach Art. 24 DSA).
KMU, die Hostingdienste bereitstellen (also z. B. Webhostinganbieter) treffen zusätzlich folgende Pflichten:
- die Pflicht, Melde- und Abhilfeverfahren für potentiell rechtswidrige Inhalte einzuführen (Art. 16 DSA).
- Sie müssen Beschränkungen von rechtswidrigen oder gegen die AGB des Anbieters verstoßende Inhalte ihren Nutzer*innen gegenüber anzeigen und begründen (Art. 17 DSA).
- Besteht sogar der Verdacht bestimmter Straftaten, ist das den zuständigen Strafverfolgungsbehörden anzuzeigen (Art. 18 DSA).
Verschärfte Sorgfaltspflichten für Anbieter von Online-Plattformen
Online-Plattformen – darunter fallen Hostingdienste, die im Auftrag von Nutzer*innen Informationen speichern und öffentlich verbreiten (z. B. soziale Netzwerke wie Facebook und Tik Tok) – treffen ebenfalls verschärfte Pflichten. Klein- und Kleinstunternehmen sind von diesen Pflichten allerdings pauschal aus Verhältnismäßigkeitsaspekten ausgenommen (Art. 19 DSA). Unternehmen gelten als Kleinstunternehmen, wenn sie bis zu neun Beschäftigte und Jahresumsatz bzw. die Jahresbilanzsumme zwei Millionen Euro nicht übersteigt. Sie gelten als Kleinunternehmen, wenn sie nicht mehr als 49 Beschäftigte haben und ihr Jahresumsatz bzw. ihre Jahresbilanzsumme zehn Millionen Euro nicht übersteigt (EU-Empfehlung 2003/361). Von den weitreichenden Pflichten für „Sehr große Online-Plattformen“ („VLOP“) werden KMU ausgenommen, da hinter Vermittlungsdiensten dieser Größenordnung ausschließlich Großunternehmen stehen.
Im Bereich der Online-Plattformen betreibenden KMU sind also nur mittelständische Unternehmen (also die Unternehmen, die laut EU-Definition nicht mehr Kleinst- oder Kleinunternehmen sind) von den verschärften Vorschriften für Online-Plattformen betroffen. Sie müssen beispielsweise:
- Beschwerdemanagementsysteme bereitstellen (Art. 20 DSA),
- die Einbindung sog. Dark Patterns bei der Gestaltung ihrer Plattform unterlassen (Art. 25 und ErwG 67 DSA) oder
- sind verpflichtet, Werbung und Empfehlungssysteme transparent zu machen und eindeutig zu kennzeichnen (Art. 26 und 27 DSA).
Was die behördliche Durchsetzung angeht, so sollen auf nationaler Ebene eigene Behörden als „Koordinatoren für digitale Dienste“ zuständig sein (Art. 49 ff. DSA). Diese Behörden werden Ermittlungs- und Durchsetzungsbefugnisse haben (Art. 51 DSA) und selbst für KMU empfindliche Geldbußen verhängen können.
Fazit zu Pflichten für KMU unter dem neuen Digital Services Act
Im Ergebnis müssen sich nicht nur sehr große Online-Dienste, sondern auch KMU, die Vermittlungsdienste, wie Access-, Cashing- und Hostingdienste, Online-Plattformen oder -Suchmaschinen anbieten, auf Neuerungen einstellen. Grundsätzlich unterliegen Unternehmen weiterhin keinen allgemeinen Überwachungspflichten und haften nicht per se für die von ihnen übermittelten Inhalte.
Bereits der grundlegende Pflichtenkatalog der Verordnung erfordert jedoch Maßnahmen, deren Implementierung ggf. mit Vorlauf organisiert werden muss. Das betrifft beispielsweise die Überarbeitung der AGB (Art. 14 DSA) oder das Zusammenstellen von Informationen für die Berichtspflicht über eigene Inhaltemoderation (Art. 15 DSA). Daher empfiehlt es sich für betroffene KMU, sich frühzeitig mit den Vorgaben der neuen Verordnung vertraut zu machen und für das eigene Unternehmen Vorbereitungen zu treffen.
Ihr Experte für Datenschutz
Dr. Matthias Lachenmann, Rechtsanwalt und Partner
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