Rechtliche Auswirkungen des „neuen“ AÜG
Rechtsanwalt Gerhard Deiters hat im Rahmen einer eintägigen Veranstaltung des bavAIRia e.V. einen halbtägigen Vortrag zu den rechtlichen Auswirkungen der Änderungen im Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (AÜG) gehalten und mit den Teilnehmern einzelne Fallkonstellationen diskutiert.
Da am 30. September 2018 die ersten Arbeitnehmerüberlassungen (mit weitreichenden Konsequenzen) die gesetzlich vorgesehene Höchstdauer von 18 Monaten überschreiten werden, sollte die Veranstaltung noch einmal für die Problematik sensibilisieren und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen.
Hintergrund sind die seit dem 1. April 2017 weitreichenden und auch ohne Übergangsfrist unmittelbar geltenden Änderungen im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung. Konkret hat der Gesetzgeber zahlreiche Änderungen im AÜG vorgenommen. Diese sind erkennbar auf die Problematiken im Niedriglohnsektor hin erfolgt, betreffen allerdings auch in vollem Umfang die Überlassung von hochqualifiziertem Personal, insbesondere in der IT-Branche sowie in Luft- und Raumfahrt.
Die wesentlichen Verschärfungen und Beschränkungen der Möglichkeit der Arbeitnehmerüberlassung betreffen dabei folgende Punkte:
- Eine Arbeitnehmerüberlassung muss als solche gekennzeichnet werden und ist (neben der entsprechenden Erlaubnis) nur dann zulässig, wenn der Verleiher Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers Ein „Kettenverleih“ ist damit ausgeschlossen. Wird der Leiharbeitnehmer von dem Entleiher bei einem Dritten eingesetzt, dann darf dies nicht in Form der Arbeitnehmerüberlassung geschehen.
- Ein Verleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen (Überlassungshöchstdauer), wobei Unterbrechungen von bis zu drei aufeinander folgenden Monate nur dazu führen, dass der Unterbrechungszeitraum nicht angerechnet wird, die davor erfolgte Überlassung hingegen schon. Da der Begriff des Entleihers unternehmens- und nicht betriebsbezogen ist, ist ein Wechsel in einen anderen Betrieb des Entleihers für die Berechnung der Überlassungshöchstdauer außer Betracht zu lassen. Abweichungen in Hinblick auf die Überlassungshöchstdauer sind möglich, sofern der Entleiher tarifgebunden ist und der Tarifvertrag eine abweichende Regelung vorsieht. Ist der Entleiher nicht tarifgebunden, die Regelungen des Tarifvertrags jedoch auf der Grundlage einer Öffnungsklausel und einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung übernommen worden, kann die Überlassungshöchstdauer auf 24 Monate erweitert werden.
- Wird die Überlassungshöchstdauer nicht eingehalten, kann die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung versagt bzw. nachträglich entzogen
- Im Bereich der Gleichstellung von Leiharbeitnehmern wurde nochmals ausdrücklich festgelegt, dass dem Leiharbeitnehmer die wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts beim Entleiher zu gewähren sind, sog. Gleichstellungsgrundsatz, im Hinblick auf die Bezahlung Equal Pay Abweichungen sind (im eingeschränkten Umfang) nur aufgrund eines Tarifvertrags möglich. In der Praxis stellt sich dabei häufig das Problem, dass es im Bereich der hochqualifizierten Arbeitnehmerüberlassung häufig keine vergleichbaren Stellen im Entleiherunternehmen gibt, so dass hier mit Hypothesen zu arbeiten ist.
- Arbeitsverträge zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer sind unwirksam, wenn die Überlassungshöchstdauer überschritten wird, oder der Leiharbeitnehmer vor Aufnahme seiner Tätigkeit beim Entleiher nicht konkret benannt wird, es sei denn, der Leiharbeitnehmer gibt innerhalb eine Monats unter Einbeziehung der Agentur für Arbeit eine so genannte Festhaltenserklärung ab, eine Voraberklärung ist nicht möglich. Gibt er die Erklärung ab, wird der Verstoß bei der Agentur für Arbeit aktenkundig, was eine Sanktionierung zur Folge haben dürfte. Gibt er die Erklärung nicht ab, wird ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher begründet.
- Der Einsatz von Leiharbeitnehmern durch einen Entleiher, dessen Betrieb unmittelbar durch einen Arbeitskampf betroffen ist, ist unzulässig, es sei denn, es werden Tätigkeiten übernommen, die bisher nicht von am Arbeitskampf beteiligten Arbeitnehmern durchgeführt wurden.
- Im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung sind Leiharbeitnehmer (eingeschränkt) mit einzubeziehen.
Die Änderungen sind sowohl bei der Gestaltung der Arbeitnehmerüberlassungsverträge als auch in der praktischen Umsetzung der Arbeitnehmerüberlassung zu berücksichtigen. Bei Verstößen drohen sowohl dem Ver- als auch dem Entleiher empfindliche Geldbußen und für den Verleiher sogar der Entzug der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.
Da die Regelungen unmittelbar gelten und eine Karenzzeit nicht vorgesehen ist und auch im Hinblick auf die Berechnung der Überlassungshöchstdauer die Zeiten vor dem 1. April 2017 lediglich nicht eingerechnet werden, die Berechnung also ab dem 1. April 2017 begonnen hat, hatten und haben die Änderungen auch unmittelbare Auswirkungen auf bestehende Arbeitnehmerüberlassungen.
Da öffentliche Auftraggeber vermehrt dazu übergehen, auch Arbeitnehmerüberlassungen (in der Regel im Hinblick auf hochqualifizierte Anforderungsprofile) auszuschreiben, haben die Änderungen des AÜG auch Auswirkungen auf bereits abgeschlossene, noch laufende und zukünftige Vergabeverfahren, die Arbeitnehmerüberlassungen zur Folge haben.
Die Präsentation zum Vortrag am 14. März 2018 finden Sie hier.
Für Rückfragen stehen wir Ihnen natürlich jederzeit gerne zur Verfügung. Ansprechpartner für Fragen der Arbeitnehmerüberlassung ist Rechtsanwalt Gerhard Deiters, gerhard.deiters@bho-legal.com, Tel. +49 221 270 956 160.