Privilegiertes Fliegen, Fliegen unter Aufsicht?
Das seit Juni 2021 in Deutschland neugefasste Luftrecht (Anpassung u.a. des Luftverkehrsgesetzes – LuftVG – und der Luftverkehrsordnung – LuftVO) sieht weiterhin vor, dass der Betrieb unbemannter Fluggeräte gemäß § 21k Abs. 2 LuftVO durch oder unter Aufsicht von Behörden oder Organisationen mit Sicherheitsaufgaben im Zusammenhang mit Not- und Unglücksfällen sowie Katastrophen (zusammenfassend BOS) privilegiert erfolgen kann. Darunter ist zu verstehen, dass der Betrieb des unbemannten Fluggeräts in diesem Fall nicht durch Vorschriften des Luftverkehrsgesetzes, im Inland anwendbares internationales Recht oder durch Rechtsakte der Europäischen Union und die zu deren Durchführung erlassenen Rechtsvorschriften beschränkt wird. Auch gelten dann die Beschränkungen zum Betrieb von Fluggeräten in der „offenen“ und „speziellen“ Kategorie in bestimmten geografischen Gebieten nicht. Folgerichtig sind Vorschriften für entsprechende Genehmigungen ebenso nicht anwendbar.
Klarzustellen ist zunächst, dass selbst unter dieser Privilegierung der Betrieb weiterhin nicht im rechtsfreien Raum stattfindet. Das ergibt sich bereits daraus, dass der Betrieb von unbemannten Fluggeräten potenziell in die Rechte Dritter eingreift und auch ordnungsrechtlich relevant ist. Als prominente Beispiele seien hierzu nicht abschließend der Datenschutz, der Naturschutz, sowie Eigentums- und Nutzungsrechte genannt. Zudem ist ganz allgemein angesichts des inhärent riskanten Betriebs von Luftfahrzeugen, zu denen auch Drohnen gehören, stets die Sicherheit und Unversehrtheit aller (potentiell) Betroffenen am Boden und in der Luft zu gewährleisten. Werden diese Punkte nicht eingehalten, kann dies die Haftung des Betreibers, Ordnungsgelder und auch Strafverfahren zur Folge haben. Es ist somit festzuhalten, dass auch der privilegierte Betreiber weiterhin umfangreiche rechtliche und natürlich auch technische Anforderungen kennen und erfüllen muss. Bei Unsicherheiten hierzu sollte schon aufgrund des hohen Gefahrenpotentials Rat von Experten eingeholt werden. Dies trägt auch zum Risikomanagement des Betreibers bei, denn die Berater müssen für die Belastbarkeit ihrer Aussagen geradestehen.
Betreiber kommen nach § 21k Abs. 2 LuftVO auch in Genuss der Privilegierung, wenn sie unter Aufsicht von BOS fliegen. Wie bei allen Regelausnahmen muss man den Privilegierungsumfang dieser Regelung allerdings mit großer Vorsicht und Bedacht, also restriktiv, anwenden. Zunächst stellt sich hierbei die Frage, was unter Aufsicht genau zu verstehen ist. Diese wichtige Frage ist leider bislang nicht vollständig geklärt. Jedenfalls kann es nicht ausreichen, von einer BOS lediglich einen Auftrag für den Betrieb eines unbekannten Fluggeräts zu erhalten – denn ein Auftrag ist nicht gleichbedeutend mit Aufsicht. Daran schließt sich die Frage an, welche Qualität eine Aufsicht haben muss. Hierbei erscheint eine Betrachtung vom Sinn und Zweck der Vorschrift angezeigt. Die Vorschrift erlaubt es BOS, unbemannte Fluggeräte für ihre Aufgaben ohne bürokratische Genehmigungsverfahren zu nutzen. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich Behörden ohnehin an Recht und Gesetz halten. Dies gilt auch, wenn sie sich Dritter für den Betrieb bedienen. Eine solche Auslagerung des Betriebs wird aber wirtschaftlich und organisatorisch nur sinnvoll sein, wenn der personelle und zeitliche Aufwand der für die Aufsicht aufgewendet werden muss nicht ähnlich hoch ist, wie der Aufwand, der für einen eigenen Betrieb erforderlich wäre. Wie umfassend die Aufsicht weiterhin sein muss, ist allerdings bisher nicht offiziell festgelegt. Von der BOS wird wohl einerseits nicht verlangt werden können, jeden einzelnen Flug in Echtzeit zu überwachen, denn damit wäre der Vorteil einer Auslagerung des Betriebs verloren – die Regelung würde in der Praxis leer laufen. Verlangt werden dürfte aber, dass die BOS schon vor einer Aufgabenübertragung zunächst die Kompetenz des Betreibers sicherstellt. Auch hierfür gibt es bislang keinen Maßstab. Auf der sicheren Seite dürfte die BOS aber sein, wenn sie sich Zertifikate und Nachweise zu Kenntnissen des Steuerers und der technischen Eignung des Fluggeräts vorlegen lässt, wie sie ansonsten auch beim nicht privilegierten Betrieb erforderlich wären – ähnliche Anforderungen sind z.B. bei Ausschreibung von Luftrettungsdiensten etablierte Praxis. Zur Absicherung des eigentlichen Betriebs ist darüber hinaus zu empfehlen, dass BOS sich regelmäßig Betriebs- und Flugprotokolle vorlegen lassen und diese auf ordnungsgemäße Durchführung des Betriebs hin überprüfen. Die Maßstäbe hierzu sollten vorab vertraglich festgelegt werden. Auch eine stichprobenartige Echtzeitüberwachungen von Flügen dürften mit dem Regelungszweck vereinbar und eine sinnvolle Aufsichtsmethode sein. Hierin liegt freilich wieder Aufwand und es erfordert Expertise, über welche die BOS ggf. (noch) nicht selbst verfügt. In diesem Fall sollte sie wiederum auf externe Berater zurückgreifen. Hilfestellung können auch ggf. im Einsatzbereich schon vorhandene Leitlinien und Fachbehörden oder auch Verbände, wie z.B. der UAV DACH e.V. geben. Diese bereits im Vorfeld der eigentlichen Beauftragung zu berücksichtigenden Aspekte sollten sinnvollerweise auch zum Gegenstand einer Leistungsbeschreibung als Teil der Vergabeunterlagen gemacht werden, wenn der Betrieb durch Dritte ausgeschrieben werden muss. Dies dürfte zumindest bei Behörden regelmäßig der Fall sein.
Neben der Frage des Umfangs und der Qualität die Aufsicht betreffend noch wichtig ist die Frage, welche Einsätze von Dritten unter Aufsicht überhaupt vom privilegierten Betrieb profitieren dürfen. Auch hier ist wieder eine Herangehensweise über den Sinn und Zweck der Vorschrift angezeigt. Will heißen, der Einsatzbereich der Privilegierung des Betriebs eines Dritten unter Aufsicht kann nicht weitergehen, als die beaufsichtigende BOS nach der Vorschrift privilegiert wäre, wenn sie den Betrieb selbst durchführte. Für Behörden ergibt sich hieraus mit Blick auf § 21k Abs. 1 Nr. 1 LuftVO, dass auch der Dritte unter deren Aufsicht das unbemannte Fluggerät nur insoweit privilegiert betreibt, wie dies zur Erfüllung der originären Aufgaben der Behörde stattfindet. Der Aufgabenbereich einer Behörde ist regelmäßig rechtlich festgelegt und kann nicht ohne Weiteres erweitert werden. Für die Organisationen mit Sicherheitsaufgaben im Zusammenhang mit Not- und Unglücksfällen sowie Katastrophen ergibt sich die Beschränkung der Privilegierung regelmäßig ebenfalls aus deren Aufgabendefinition. An diesen definierten Rahmen muss sich auch der beaufsichtigte Betreiber halten. Eine andere Herangehensweise stünde der Rechtfertigung der Privilegierung entgegen. Jeder darüberhinausgehende Betrieb verliert die Privilegierung und unterliegt dem vollen Umfang der luftrechtlichen Vorschriften.
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Ihr Ansprechpartner zu dem Thema: Dr. Oliver Heinrich