Der Plan für das Hinweisgeberschutzgesetz
Vor einiger Zeit wurde der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz zum Hinweisgeberschutzgesetz – HinSchG-E veröffentlicht. Mit dem Referentenentwurf sollte die Whistleblower-Richtlinie umgesetzt werden, die bis zum 17.12.2021 in nationales Recht zu gießen ist. Der Gesetzesentwurf scheiterte in der großen Koalition, so dass derzeit wahrscheinlich ist, dass die Umsetzung der Richtlinie nicht rechtzeitig erfolgen wird. Dennoch möchten wir nachfolgend kurz vorstellen, welche Pläne das HinSchG-E vorsah – und werden natürlich einen neuen Entwurf nach Bekanntwerden vorstellen.
Die Aufgaben von Whistleblowern wurden bisher noch nicht explizit rechtlich abgedeckt. Die Gerichte orientierten sich an den Vorgaben des EGMR. Dies führte oft dazu, dass grundsätzlich schützenswerte Hinweisgeber aufgrund von unterschiedlich ausfallenden Einzelentscheidungen nicht ausreichend vor Repressalien geschützt werden konnten. Grund dafür ist unter anderem das Spannungsverhältnis zwischen dem öffentlich-rechtlichen Interesse an der Offenlegung von Verstößen und den vertraglichen Verpflichtungen des Hinweisgebenden aus zivil-, arbeits- und dienstrechtliche Pflichten.
So wurde Zulässigkeit von Whistleblowing oft nach dem Rücksichtnahmegebot gem. § 241 II BGB beurteilt. Das Gebot schreibt vor, dass Beschäftigte zunächst die Verstöße intern melden mussten, um Schäden durch externe Meldungen von den Unternehmen abzuwenden. Dies veranlasste im Falle von Veröffentlichungen die Gerichte oft zu Entscheidungen, dass keine schützenswerte Meldung vorlag, da gegen das Rücksichtnahmeverbot verstoßen worden sei. So kann die Anwendung dieser Norm derzeit keinen ausreichenden Schutz für den Hinweisgebenden bieten und stellt eher die Interessen des Unternehmens in den Vordergrund. Das Beamtenrecht hat noch strengere Regelungen bzgl. der Zulässigkeit von Whistleblowing. Möglichkeiten zur Meldung von Verstößen bietet hier nur das beamtenrechtliche Beschwerderecht und die Remonstrationspflicht.
Um festzuhalten, welche Seite in diesem Spannungsverhältnis vorrangig zu schützten ist, sollen nun europaweit nationale Gesetze auf Basis der Whistleblower-Richtlinie geschaffen werden, in Deutschland durch das Hinweisgeberschutzgesetz. Der Entwurf soll Rechtsklarheit für Hinweisgeber schaffen und diese ermutigen, die Verstöße offenzulegen. Der Gang an die Öffentlichkeit bleibt aber weiterhin die ultima ratio.
Fraglich ist natürlich, ob das neue Gesetz zu einem großen Ärgernis für Unternehmen führen wird und welche positiven Auswirkungen das HinSchG-E für Unternehmen mit sich bringen kann. Einleitend soll ein kurzer Überblick über den Inhalt des Referentenentwurfs und die damit verbundenen Verpflichtungen für Unternehmen dargestellt werden.
Anwendungsbereich
Der Anwendungsbereich (§§ 1 und 2 HinSchG-E) ist entsprechend der Vorgaben der Whistleblowing-Richtlinie sehr weit gefasst, der Schutz von Beschäftigten, die Missstände melden, ist also relativ groß.
In den sachlichen Anwendungsbereich fallen alle Meldungen von Verstößen gegen europäische Regelungen. Ergänzend war geplant, eine Ausdehnung auf das nationale Recht über die Anforderungen der Richtlinie hinaus vorzusehen, was aber durch die Union abgelehnt wurde. Eine Auflistung findet sich in § 2 I HinSchG-E, von der besonders auf Meldungen gegen Verstöße der Verbotsnormen des Straf- und Ordnungsrechts interessant sind, da sie die den Anwendungsbereich den HinSchG-E erheblich erweitern.
An einem Beispiel soll die Auswirkung der Erweiterung des Anwendungsbereichs verdeutlicht werden: Der Bereich Datenschutz ist europarechtlich geregelt, Hinweisgebende über Verstöße eines Unternehmens gegen die DSGVO sind somit nach der europäischen Vorgabe geschützt. Nicht in den Schutzbereich würden jedoch Hinweisgebende, die Verstöße gegen das StGB melden, da dieses Rechtsgebiet nur auf der nationalen Ebene gilt. Durch die Umsetzung eines weiten Anwendungsbereichs würde eine solche Ungleichbehandlung vermieden.
Auch der persönliche Anwendungsbereich ist sehr weit gefasst und in § 1 HinSchG-E geregelt: Geschützt sind natürliche Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die nach diesem Gesetz vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen („hinweisgebende Personen“). Darüber hinaus werden auch natürliche Personen geschützt, die Gegenstand einer Meldung oder Offenlegung sind, sowie sonstige Personen, die von einer Meldung oder Offenlegung betroffen sind (also z.B. Personen, denen ein Fehlverhalten vorgeworfen wird). Ausgeklammert vom Schutzbereich sind somit nur natürliche Personen aus dem privaten Bereich.
Umfangreicher Schutz der Hinweisgeber vor Repressalien
Besonderer Augenmerk sollte auf die umfangreiche Schutzfunktion dieses Entwurfes gelegt werden. Geregelt sind die Schutzvorschriften in den 32-38 ff. HinSchG-E. Ziel ist es die Hinweisgebenden vor drohenden Repressalien, die ihnen durch die Erteilung der Hinweise drohen, zu schützen.
Repressalien sind definiert als Handlungen oder Unterlassungen im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit, die eine Reaktion auf eine Meldung oder eine Offenlegung sind und durch die der hinweisgebenden Person ein ungerechtfertigter Nachteil entsteht oder entstehen kann. Darunter kann man beispielsweise Kündigungen, Mobbing, Disziplinarmaßnahmen oder Versagung einer Beförderung subsumieren. Ein Verstoß gegen dieses Verbot wird als Ordnungswidrigkeit geahndet.
Neben der möglichen Sanktionierung als Ordnungswidrigkeit kann auch ein möglicher Schadensersatzanspruch des Hinweisgebenden bestehen. § 36 HinSchG-E dient dabei als Anspruchsgrundlage. Der Anspruch besteht – wie auch unionsrechtlich gewollt – verschuldensunabhängig bei einem Verstoß gegen das Repressalienverbot.
Positiv für den Hinweisgeber wirkt sich die in § 35 II HinSchG-E vorgenommene Beweislastumkehr aus. Es wird vermutet, dass, wenn eine hinweisgebende Person nach einer Meldung oder Offenlegung eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit erleidet, dass es sich um eine Repressalie handelt.
Zweigliedriges Meldesystem
Was genau unter einer Meldung zu verstehen ist, wird in § 3 IV HinSchG-E legaldefiniert. Eine Meldung ist eine Mitteilung von Informationen über Verstöße gegenüber der Öffentlichkeit.
Die Meldung kann an zwei unterschiedliche Meldesysteme erfolgen. Meldungen können über eine interne und externe Meldestelle kommuniziert werden. Dabei sind die beiden Meldestellen rechtlich gleichgestellt, was zu Abkehr von dem bisherigen Prinzip, dass die Meldung zunächst intern erfolgen sollte, führt. Somit war im Gesetzesentwurf geplant, keine Rangfolge der Meldung aufzunehmen sondern den Hinweisgebern die Wahl über die Art der Meldung zu überlassen.
Eine wesentliche Vorgabe für die Umsetzung der beiden Meldestellen ist die Wahrung der Vertraulichkeit des Meldenden. Durch das neue HinSchG-E soll die Identität aller von einer Meldung betroffenen Personen weitgehend geschützt werden. Es besteht jedoch keine Pflicht, anonymen Meldungen nachzugehen. Durch diese Regelung wollte der Gesetzgeber das System vor einer Überlastung schützen und die Gefahr die von denunzierenden Meldungen ausgeht, abwenden.
Interne Meldestellen
In den § 12 ff. HinSchG-E sind die Voraussetzungen für die internen Meldewege enthalten. Jeder Arbeitgeber mit mehr als 50 Beschäftigten (und jede Dienststelle) ist nach diesem Gesetz dazu verpflichtet, eine interne Meldestelle einzurichten. Aufgabe der internen Meldestelle sind es insbesondere,
- Meldungen entgegenzunehmen,
- Veranlassungen geeigneter Folgemaßnahmen zu treffen und
- sich innerhalb einer 3 Monatsfrist gegenüber dem Meldenden zu äußern.
Für kleinere Unternehmen mit bis zu 250 Beschäftigten gelten weniger strenge Voraussetzungen. Kleinere Unternehmen haben eine verlängerte Frist zur Umsetzung, bis zum 17.12.2023 und die Möglichkeit, eine gemeinsame Meldestelle mit mehreren Unternehmen zu gründen. Dennoch kann es sich lohnen, die Vorgaben schon derzeit umzusetzen, um nach außen zu zeigen, dass ein hohes Maß an Integrität besteht.
Externe Meldestelle
Die Regelungen über die externen Meldestellen finden sich in den §§ 19-30 HinSchG-E. Es soll eine zentrale Meldestelle auf Bundesebene geschaffen werden, die organisatorisch bei dem Bundesdatenschutzbeauftragten angesiedelt werden soll. Die Zentralisierung hat den Zweck, den Hinweisgebenden davon zu befreien, sich mit Zuständigkeitsregelungen zu befassen. Neben dieser Meldestelle soll auch die BaFin als externe Meldestelle für Meldungen im Bereich des Finanzsektors dienen.
Die Aufgaben der externen Meldestellen gehen über den der internen Meldestellen hinaus. Insbesondere sind die Informations- und Beratungspflichten weitreichender.
Öffentliche Meldungen
Hinweisgeber wird nur durch dieses Gesetz geschützt, wenn sie die oben dargestellten Kanäle nutzen. Öffentliche Meldungen (also an die Presse, Websiten od. ä.) sind aber unter den strengen Voraussetzungen des § 31 HinSchG-E schützenswert. Dies ist u.a. dann der Fall, wenn nach einer externen Meldung keine Rückmeldung erhalten wurde oder der Meldende davon ausgeht, dass der zu meldende Verstoß eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann.
Fazit zum HinSchG-E
Der Entwurf enthält eine Vielzahl an Pflichten, die von den Unternehmen umzusetzen sind. Besonders auf KMU kommen (mal wieder) einige Herausforderungen zu. Allerdings ist diesbezüglich auch auf die längere Umsetzungsfrist bis 2023 und die Möglichkeit, gemeinsame Meldestellen zu schaffen hinzuweisen, was die Umsetzung erleichtern sollte. Aufgrund der Konkurrenzstellung zu der externen Meldestelle sollten interne Meldestellen besonders attraktiv und einfach erreichbar gestaltet werden. Schließlich wird es im Sinne jedes Unternehmens sein, Verstöße zunächst intern aufklären zu können, ohne dass eine Behörde eingeschaltet wird. Umsetzungsmöglichkeiten sind transparente und unkomplizierte Meldewege sowie ggf. die Möglichkeit der anonymen Abgabe von Meldungen.
Neben den zuvor beschriebenen Pflichten kann das Gesetz auch Vorteile für Unternehmen mit sich bringen. Es werden klare Regeln für Whistleblower und Unternehmen existieren, mit denen ein strukturiertes Vorgehen bei Meldungen und der Prüfung von möglichen Verstößen sichergestellt wird. Für jedes Unternehmen kann es nur positiv zu bewerten sein, wenn Missstände rechtzeitig aufgedeckt werden und so Schäden vom Unternehmen abgewendet werden können. Auch in den Bereichen Human Resources und Marketing kann der Hinweis auf ein funktionierendes Hinweisgebersystem nur Vorteile mit sich bringen. Es verstärkt das Vertrauen ins Unternehmen und kann die Attraktivität des Unternehmens für zukünftige Beschäftigte steigern.
Es ist daher wünschenswert, dass der deutsche Gesetzgeber bald die EU-Richtlinie umsetzt und so ein erhöhtes Maß an Rechtssicherheit sicherstellt.
Ihr Ansprechpartner zu dem Thema: Dr. Matthias Lachenmann