Dashcam-Funktion am Tesla: Datenschutzbehörde untersagt Nutzung
Die Befestigung von Dashcams an Fahrzeugen ist seit vielen Jahren umstritten. Der Streit dehnt sich nun auch für die Fahrzeuge von Tesla aus, da hier Kameras fest verbaut sind und eine Dashcams-Funktion enthalten ist. Die Datenschutzbehörde in Baden-Württemberg (der Landesdatenschutzbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit; LfDI BW) hat nun einen unserer Mandanten verpflichtet, die Nutzung der Dashcam-Funktion zu unterlassen (aber kein Bußgeld verhängt).
Wir nehmen den Fall zum Anlass, die aktuelle Rechtslage zur Nutzung von Dashcams im Straßenverkehr kurz darzustellen. Andere Fragen, die ein RBB-Beitrag zu Tesla aufgeworden hatte*, sollen hier aber keine Rolle spielen.
Dashcams sind Kameras, die üblicherweise auf dem Armaturenbrett (engl. dash) installiert werden, um den Straßenverkehr aufzuzeichnen. Im Regelfall sollen sie der Erhebung von Beweisen im Fall von Unfällen dienen. In den Fahrzeugen von Tesla sind solche Kameras für verschiedene Funktionen der Assistenzsysteme fest installiert. Sie können aber über die (rechtmäßige) Verwendung für die elektronischen Fahrassistenzsysteme als Dashcams betrieben werden. Dabei besteht die Möglichkeit eines Betriebs beim Fahren, bei dem der Straßenverkehr für höchstens 1 Stunde aufgezeichnet wird. Zudem können die Dashcams auch beim Parken eingesetzt werden (sog. Wächter-Modus), so dass die Kameras bei verdächtigen Bewegungen das Umfeld des geparkten Teslas aufzeichnen. Diese Funktion kann der Fahrer manuell aktivieren.
Das Problem: Tesla gestattet dem Fahrer nur wenig Flexibilität bei der Einstellung der Dashcam-Funktion. Daher gestaltet sich die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben in Deutschland mitunter schwierig. Im deutschen Recht wird ein sehr strenger Maßstab bei der Verwendung personenbezogener Daten angelegt, dessen Vorgaben für den Fahrer eines Teslas eine detailgenaue Einstellung der Dashcam-Funktionen erforderlich machen. Der LfDI BW vertritt im Falle unseres Mandanten die Ansicht, dass Tesla-Fahrer in Deutschland die Dashcam-Funktion deaktivieren müssen. Die Videoaufzeichnung des Geschehens um das Fahrzeug widerspreche den geltenden Datenschutzbestimmungen und sei daher unzulässig.
Der Bundesgerichtshof (BGH) urteilte am 15. Mai 2018 (Az. VI ZR 233/17), dass die Nutzung einer Dashcam grundsätzlich unzulässig ist. Nur, wenn bestimmte technische Maßnahmen eingehalten werden, könne die Nutzung von Dashcams zulässig sein. Die Kriterien hat der BGH jedoch nicht weiter definiert, so dass ein Beurteilungsspielraum besteht. Davon unabhängig gestattete der BGH jedenfalls ausdrücklich die Verwendung der Aufnahmen als Beweismittel, selbst wenn diese rechtswidrig erlangt wurden. Damit wird jedoch der Betrieb von Dashcams nicht zulässig und das Risiko von Bußgeldern, Benutzungsverboten und Ansprüchen der Betroffenen auf Schadensersatz/Geldentschädigung, Unterlassen, Auskunft und Löschung besteht – gerade wenn die Kamera bestimmte Funktionen nicht aufweist.
Anforderungen an die Nutzung einer Dashcam
Nach unserem Verständnis des BGH-Urteils und der Stellungnahmen der Datenschutz-Aufsichtsbehörden können Dashcams durchaus auch rechtskonform betrieben werden. Dabei sollten jedoch möglichst strenge Vorgaben beachtet werden. Wir empfehlen daher vor dem Hintergrund der Stellungnahmen der deutschen Datenschutz-Aufsichtsbehörden, die folgenden Kriterien und Einschränkungen zu beachten (was Tesla mit den internen Kameras derzeit leider nicht ermöglicht):
- Die Aufnahmen der Kamera dürfen nur anlassbezogen gespeichert werden (sogenannte Crashcam-Funktion), im Falle manueller Aktivierung, wenn die Anlage ein scharfes Bremsmanöver, einen potentiellen Unfall oder z.B. das Erklingen der Hupe registriert. Der anlasslose Dauerbetrieb, selbst wenn aufgezeichnete etwa Daten nach einer Stunde automatisch überschrieben werden, widerspricht dem Erfordernis eines konkreten, den Rechten des/der Aufgenommenen entgegenstehenden Interesses. Ein hypothetisch möglicher Unfall oder sonstiger Vorfall reicht als Anlass nicht aus.
- Die Aufzeichnung darf nur ein geringes Zeitfenster von weniger als einer Minute umfassen. Liegt ein Anlass vor (z.B. ein Unfall), darf diese kurze Sequenz gespeichert/beibehalten werden.
- Die Aufnahmen dürfen nur auf möglichst kurzer Distanz erkennbar sein. Ab einer gewissen Weite (z.B. 8 Meter) sollten die Aufnahmen unscharf werden. So kann gewährleistet werden, dass im fließenden Verkehr keine Passanten erfasst werden. Personen und Kennzeichen mit größerer Entfernung dürfen nicht identifizierbar sein, auch wenn deren Bewegung in der Bedeutung für das Verkehrsgeschehen zurückverfolgt werden kann.
- Nur der Fahrer oder die Sicherheitsbehörden dürfen Zugang zu den gespeicherten Aufnahmen haben. Sicherer wäre es sogar, wenn auch die Fahrer keinen Zugang auf die Aufnahmen hätten, sondern sie nur bei einem vertrauenswürdigen Dritten gespeichert werden und nur bei einem Vorfall direkt an die Sicherheitsbehörden weitergegeben werden.
- Eine klare Anforderung der Datenschutzbehörden stellt auch die angemessene Information anderer Verkehrsteilnehmer über die Videoaufzeichnung dar. Während sich die Information anderer Verkehrsteilnehmer bei fahrenden Fahrzeugen schwierig gestaltet, ist sie bei parkenden Fahrzeugen (Betrieb der Dashcams bei Tesla im sogenannten Wächter-Modus) einfacher und z.B. mit einem Zeichen am Fahrzeug umsetzbar.
- Die Videoaufzeichnungen dürfen nicht nach hinten getätigt werden. Hier wird zu tief in die Privatsphäre der direkt aufgenommenen Fahrer nachfolgender Fahrzeuge eingegriffen.
Sicherlich sind das viele Kriterien, die in der Praxis nicht einfach zu erfüllen sind. Standardmodelle von Dashcams auf dem Markt, die manuell an die Windschutzscheibe montiert werden, erfüllen die rechtlichen Anforderungen praktisch nie. Tesla ermöglicht verschiedene Einstellungen, die aber den rechtlichen Anforderungen derzeit wohl nicht genügen (so zumindest die klare Position des LfDI BW). Dabei muss bedacht werden – bei allem Verständnis für das Interesse von Autofahrern an Aufzeichnungsmöglichen – dass in der Regel in die Rechte einer Vielzahl von unbeteiligten Verkehrsteilnehmern und Passanten von den Aufzeichnungen eingegriffen wird. Da nicht bekannt ist, wie Fahrer die Aufzeichnungen verwenden, ist es durchaus richtig, strenge Maßstäbe für die Dashcam-Nutzung vorzusehen.
Mögliches Dashboard zur Einstellung der Dashcams
Tesla zeichnet sich oft durch eine flexible und schnelle Reaktion auf Kundenwünsche aus und kann viele Änderungen durch ein einfaches Software-Update erfüllen. Es ist zu hoffen, dass Tesla auf das Vorgehen des LfDI BW (und vermutlich auch anderer deutscher Aufsichtsbehörden) reagiert und Änderungen an der Dashcam-Funktion vornimmt. Mit unserem Mandanten haben wir ein mögliches Dashboard erarbeitet, das Tesla in der vorhandenen Benutzeroberfläche über ein einfaches Softwareupdate ergänzen könnte.
So könnte in unterschiedlichen Ländern jeder Fahrer die Dashcam-Funktion so einstellen, dass rechtliche Vorgaben eingehalten werden. Hier der Entwurf der erweiterten Funktionalität:
Derzeit setzt Tesla die deutschen Fahrer einem Risiko von Beanstandungen der Aufsichtsbehörden aus, das auch zu Unterlassungsverfügungen und empfindlichen Bußgeldern führen kann. Die Datenschutzkonferenz hat angekündigt, die Benutzung von Dashcams „unabhängig von der Verwertbarkeit im Zivilprozess“ zu ahnden. Zudem drohen Nutzern einer Dashcam im Tesla neben Bußgeldern und Benutzungsverboten auch Ansprüche der Betroffenen auf Schadensersatz bzw. angemessener Geldentschädigung, Unterlassen, Auskunft und Löschung. Beispielsweise hatte die Datenschutz-Aufsicht in Rheinland-Pfalz im letzten Jahr zwei Bußgelder wegen der Nutzung einer Dashcam verhängt (einmal über 350,- €, einmal über 1000,- €).
Diese Risiken könnten jedoch durch geringe Anpassungen seitens Tesla deutlich minimiert werden. Wir hoffen, dass Tesla hier auf die Wünsche der Kunden hört und entsprechende Einstellungen ermöglicht.
Für Rückfragen, Erfahrungsberichte oder Diskussionen steht Ihnen unser Mandant unter tesla-bho@magerquark.de zur Verfügung. Ebenso gilt das, aber besonders für rechtliche Fragen, für Herr RA Dr. Matthias Lachenmann.
*Anm. d. Red. v. 26.10.2021: In einer früheren Version des Artikels wurde der RBB-Beitrag verlinkt, der mittlerweile nicht mehr in der RBB-Mediathek existiert.