Die neue Open Data-Richtlinie der EU über die Verwendung offener Daten
In ihren Bemühungen, die Digitalisierung in Europa zu stärken – mit besonderem Schwerpunkt auf künstlicher Intelligenz (KI), Smart Industry und Big Data Analytics – will die EU die Verwendung offener Daten und die Wiederverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors ausweiten. Durch die Bereitstellung solcher öffentlicher Daten an private Institutionen will die EU Fortschritte in den digitalen Technologien sicherstellen und die digitale Innovation weiter fördern.
Die neue Open Data-Richtlinie aktualisiert eine ältere Richtlinie (2003/98/EG). Als neue Regelungen sind z.B. enthalten, dass die Bereitstellung eines Echtzeit-Zugangs zu digitalen Daten (dynamische Daten) öffentlicher Stellen an private Stellen erfolgen soll. Bei den öffentlichen Stellen sollen dafür angemessene technische Mittel eingerichtet werden. In diesem Artikel wollen wir einen kurzen Überblick über das EU-Gesetz geben, mit dem das Angebot an offenen Daten durch öffentliche Einrichtungen in Europa erweitert werden soll und einen Ausblick auf ein mögliches deutsches Gesetz geben.
Welche öffentlichen Stellen müssen offene Daten zur Verfügung stellen?
Die EU-Richtlinie „über offene Daten und die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors“ (veröffentlicht im Amtsblatt vom 26. Juni 2019; 2019/1024; nachfolgend: Open Data-Richtlinie) gilt für die (Wieder-)Verwendung von Daten/Informationen durch (private) natürliche oder juristische Personen. Solche Daten/Informationen sind relevant, wenn sie sich im Besitz einer der beiden Interessengruppen befinden:
- nationale öffentliche Stellen (d.h. der Staat, regionale oder lokale Behörden oder allgemeine Einrichtungen des öffentlichen Rechts), oder
- öffentliche Unternehmen (d.h. Unternehmen, die dem direkten oder indirekten beherrschenden Einfluss einer öffentlichen Stelle auf ihr Eigentum, ihre Finanzierung oder ihre Verwaltungsvorschriften unterliegen). Dies betrifft öffentliche Unternehmen, die in den Bereichen Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie Postdienste tätig sind, sowie auf Unternehmen, die als Betreiber eines öffentlichen Dienstes für die Beförderung öffentlicher Personen auf Schiene und Straße, in der Luftfahrt oder auf See tätig sind (Art. 1 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i – iv). Es gibt jedoch eine klare Einschränkung: Öffentliche Unternehmen sind nicht allgemein verpflichtet, die Weiterverwendung von Informationen, die sie produziert haben, zu gestatten. Obwohl sie eine Aufgabe von öffentlichem Interesse erfüllen, haben sie auch wirtschaftliche Interessen. Daher bleibt es den öffentlichen Unternehmen überlassen zu entscheiden, ob sie Zugang zu solchen Informationen gewähren. Nur wenn die Open Data-Richtlinie, das EU-Recht oder nationales Recht dies vorschreiben, können die öffentlichen Unternehmen gezwungen werden, diese Daten zu übermitteln.
Die neuen Bestimmungen der Open Data-Richtlinie
Im Folgenden geben wir einen kurzen Überblick über die neuen Bestimmungen der Open Data-Richtlinie:
- Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die öffentlichen Daten von öffentlichen Stellen durch natürliche oder juristische Personen „für andere kommerzielle oder nichtkommerzielle Zwecke als den ursprünglichen Zweck […], für den die Dokumente erstellt wurden“, wiederverwendet werden können. Dabei dürfen grundsätzlich keine Bedingungen für die Weiterverwendung auferlegt werden.
- Nur wenige Umstände erlauben es öffentlichen Einrichtungen, die Bereitstellung der Daten auszuschließen (insbes. aus Gründen der nationalen Sicherheit, der Verteidigung oder der öffentlichen Sicherheit). Eine Verweigerung des Zugangs im Einzelfall oder die Auferlegung weiterer Bedingungen durch die öffentlichen Stellen muss objektiv, verhältnismäßig, nicht-diskriminierend und aus Gründen des öffentlichen Interesses gebührend gerechtfertigt sein.
- Der erweiterte Zugang zu Daten, die sich im Besitz öffentlicher Einrichtungen befinden, sollte für die Antragsteller kostenlos sein, um die privaten Dienste zu fördern. Wenn Kosten erhoben werden dürfen (insbes. bei Museen u.ä.), sollen die Kosten grundsätzlich auf die Grenzkosten beschränkt werden.
Weiterhin wurden durch die neugefasste Richtlinie sog. spezifische hochwertige Datensätze neu eingeführt. Dabei handelt es sich um Daten, „deren Weiterverwendung mit wichtigen Vorteilen für die Gesellschaft, die Umwelt und die Wirtschaft verbunden ist“ und die das Potenzial haben, „einen erheblichen sozioökonomischen oder ökologischen Nutzen und innovative Dienste zu erzeugen, […] einer großen Zahl von Nutzern, insbesondere KMU, zugutekommen, […] zur Generierung von Einnahmen beitragen und […] mit anderen Datensätzen kombiniert werden können“ (Art. 2 Nr. 10 und Art. 14 Abs. 2 Buchst. a, b, c, d). Dies beinhaltet:
- Gegenwärtig sind in Anhang I der Richtlinie sechs thematische Kategorien von hochwertigen Datensätzen genannt: Geodaten, Erdbeobachtung und Umwelt, Meteorologie, Statistik, Unternehmen und Unternehmenseigentum sowie Mobilität.
- Die EU-Kommission ist dafür verantwortlich, diese spezifischen hochwertigen Datensätze festzulegen, insbesondere durch Folgenabschätzungen, die die Interessen des kostenlosen Zugangs zu diesen Daten gegen die finanzielle Belastung der öffentlichen Einrichtungen, die Einnahmen generieren müssen, abwägen sollen. Die EU-Kommission muss noch delegierte Rechtsakte zur Ausgestaltung und Aktualisierung dieser Liste für strategische Sektoren erlassen, auch um sich an die technologische Entwicklung innerhalb des Binnenmarktes anzupassen.
Die speziellen hochwertigen Datensätze sind grundsätzlich kostenlos. Kosten können aber in Einzelfällen erhoben werden, z.B. wenn es sonst zu Wettbewerbsverzerrungen auf den relevanten Märkten führen würde oder durch Museen.
Zusammenfassung zur Open Data-Richtlinie
Die Open Data-Richtlinie 2019/1024 kann, durch die Erweiterung eines allgemeinen Rechts auf Weiterverwendung und Zugang zu öffentlichen Informationen, europäische Innovation fördern. Die Förderung des Zugangs zu öffentlichen Informationen kann die wirtschaftliche Entwicklung von Start-ups und kleinen und mittleren Unternehmen weiter fördern, um diesen eine bessere Nutzung von Rohdaten auch zu kommerziellen Zwecken zu gestatten. Insbesondere bei hochwertigen Datensätzen, die sogar in Echtzeit zur Verfügung gestellt werden sollen, können Entwicklungen bei neuen Technologien gefördert werden. Möglicher Mehrwert dürfte sich insbesondere in Bereichen wie Weltraumdaten, Global Monitoring for Environment and Security (GMES), künstliche Intelligenz, Mobilität mit Hilfe autonomer Fahrzeuge sowie Raumplanung ergeben.
Deutlicher hätte man beispielsweise die Nutzung von Forschungsdaten regeln können, gerade bei öffentlicher Beteiligung an privaten Projekten. Das Prinzip „public money, public code“, das z.B. von der Open Knowledge Foundation stets eingefordert wird, wurde nicht vertieft.
Ausblick auf das deutsche Recht
Wie geht es im deutschen Recht weiter? Es handelt sich um eine EU-Richtlinie, muss also noch vom deutschen Gesetzgeber in nationales Recht umgesetzt werden. Da die Frist zur Umsetzung bis 17.7.2021 läuft und im kommenden Jahr Wahlen sind, besteht inzwischen ziemlicher Zeitdruck für die deutsche Regierung. Es ist daher davon auszugehen, dass noch in der jetzigen Legislaturperiode das deutsche Gesetz zur Umsetzung vorgelegt wird. Bei der Richtlinie handelt es sich um Mindestanforderungen, d.h. theoretisch könnten noch weitere Maßnahmen zur Förderung der Open Data-Nutzung vorgesehen werden.
Nach aktuellem Recht sind die EU-Vorgaben zu Open Data im E-Government-Gesetz und dem Informationsweiterverwendungsgesetz enthalten. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber diese gesetzlichen Regelungen anpassen wird, oder ob die umfangreiche Richtlinie in ein neues Gesetz zur Datennutzung überführt wird.