Das neue Geheimnisschutzgesetz: Schon jetzt Handlungsbedarf für die geschäftliche Praxis
Am 05. Juli 2016 trat die europäische Richtlinie zum Geschäftsgeheimnisschutz (Richtlinie (EU) 2016/943) in Kraft. In den kommenden Wochen wird mit dem Inkrafttreten des deutschen Umsetzungsgesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) gerechnet. Aus dem veröffentlichten Regierungsentwurf zum GeschGehG lässt sich entnehmen, dass das künftige Gesetz neue Anforderungen für den Geheimnisschutz in Deutschland aufstellen wird.
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass keine nationale Umsetzungsfrist vorgesehen ist. Damit müssen Unternehmen die gesetzlichen Anforderungen unmittelbar nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes umsetzen und erfüllen. Bleiben sie untätig, können sie den Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse verlieren. Aus diesem Grund sollte sich jede Geschäftsleitung eines Unternehmens bereits jetzt mit den neuen Regelungen vertraut machen und die erforderlichen Maßnahmen treffen. In den nachfolgenden Punkten werden die wichtigsten Aussagen des neuen Gesetzes kurz zusammengefasst und den Unternehmen werden konkrete Handlungsempfehlungen an die Hand gegeben.
1. Begriff des Geschäftsgeheimnisses
Der Handlungsbedarf des Gesetzgebers zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen ergibt sich aus dem Umstand, dass sich sensible Unternehmensdaten nicht so wirksam sichern lassen wie Patente, Marken oder Urheberrechte. Durch das GeschGehG soll nunmehr ein effektiver Schutzumfang vor unerlaubter Erlangung, Nutzung und Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen erreicht werden.
Eine wesentliche Neuerung, die durch das Gesetz eingeführt wird, besteht in der Definition des Begriffs des Geschäftsgeheimnisses. Als Geschäftsgeheimnis gelten nach dem Regierungsentwurf sämtliche Informationen, die
- öffentlich nicht zugänglich sind,
- einen wirtschaftlichen Wert haben und
- Gegenstand angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen sind.
Die Definition ist sehr weit gefasst, sodass beispielsweise auch Baupläne, Rezepturen, Entwicklungs- und Konstruktionspläne, Fertigungsmethoden, Programmcodes einer Software, Businesspläne oder Marketingstrategien geschützt sind. Ebenfalls vom Schutzumfang erfasst werden wichtige betriebswirtschaftliche Informationen, wie Kunden- oder Preislisten.
2. Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen
Nach bisheriger deutscher Rechtslage lag ein Geschäftsgeheimnis bereits dann vor, wenn eine geheime Tatsache einen kommerziellen Wert hat und von dem Wissensträger erkennbar geheim gehalten werden soll (sog. subjektiver Geheimhaltungswille), dies betraf vor allem den Schutz von Know-how.
Dieser subjektive Geheimhaltungswille reicht künftig nicht mehr aus. Erforderlich ist es unter dem neuen Rechtsregime, dass die geheime Tatsache (vor allem Know-how) zum Gegenstand angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen gemacht wird. Jedes Unternehmen, das sein Know-how schützen will, ist daher bereits jetzt gefordert, angemessene Schutzmaßnahmen gemäß dem GeschGehG umzusetzen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass im Streitfall der Geheimnisschutz verneint wird und Folgeschäden für das Unternehmen entstehen. Die Beweislast vor Gericht für das Vorliegen ausreichender angemessener Schutzmaßnahmen liegt beim Inhaber der betroffenen Informationen. Ohne angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen erhöht sich außerdem die Gefahr von Wirtschaftsspionage und Geheimnisverrat.
3. Reverse Engineering künftig zulässig
Nach § 3 Nr. 2 lit. b) des Regierungsentwurfs zum GeschGehG ist künftig das sogenannte „Reverse Engineering“ zulässig. Hierunter versteht man die Informationsgewinnung durch „Nachkonstruktion“ oder sonstige genaue Untersuchung von Produkten oder Gegenständen von Wettbewerbern, um Konstruktion und technische Funktionsweise nachvollziehen zu können. Ziel des Reverse Engineering ist es, ein am Markt erfolgreiches Produkt nachzubauen und ebenfalls anzubieten.
Nach aktueller Rechtslage steht die Zulässigkeit des Reverse Engineering im Streit. Der Nachbau patentgeschützter Produkte stellt regelmäßig eine Patentverletzung dar. Schwieriger ist der Nachbau nicht-patentgeschützter Produkte zu beurteilen. Hier bleibt als Schutz regelmäßig nur der wettbewerbsrechtliche Nachahmungsschutz. Das GeschGehG sieht es demgegenüber ausdrücklich als zulässiges Mittel des Wettbewerbs an und erklärt das Reverse Engineering für rechtmäßig. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die untersuchten Produkte rechtmäßig erworben wurden oder der jeweilige Gegenstand öffentlich verfügbar gemacht wurde – etwa, wenn ein neues Produkt auf den Markt kommt.
4. Handlungsempfehlung
Um Geschäftsgeheimnisse in Zukunft gemäß den Vorgaben des GeschGehG wirksam zu schützen, sollten Unternehmen folgende Maßnahmen umsetzen:
a) Bestandsaufnahme
Unternehmen sollten zunächst eine umfangreiche Bestandsaufnahme durchführen. Dazu gehört, Geschäftsheimnisse im Unternehmen zu identifizieren und lokalisieren sowie die Gefährdungslagen (Risiko des Abflusses) und die Vertragslage (Geheimhaltung in Verträgen mit Lieferanten, Kooperationspartnern, Mitarbeitern etc.) zu analysieren.
b) Schutzkonzept erstellen
Weiterhin sollte ein konkretes Schutzkonzept erarbeitet und implementiert werden. Dieses beinhaltet die Einführung von angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen zur „Entschärfung“ der identifizierten Gefährdungslagen auf drei Ebenen:
- Organisatorisch (z.B. Einführung von abgestuften Zugangsberechtigungen und Mitarbeiterschulungen zum Geheimnisschutz).
- Technisch (z.B. Verschlüsselung von Dateien, Kennzeichnung von Daten/Dokumenten als Geschäftsgeheimnis sowie Beschränkungen des Drucks, Speicherns und Versendens von Daten).
- Rechtlich (z.B. Einführung/Anpassung von Geheimhaltungsklauseln mit Arbeitnehmern und Fremdpersonal, Geschäftspartnern und Kunden).
c) Regelmäßige Aktualisierung
Schließlich sollten Unternehmen ihr Schutzkonzept regelmäßig überprüfen und aktualisieren, um nicht Gefahr zu laufen, den gesetzlichen Schutz zu verlieren. Insofern kann beispielsweise die technische Weiterentwicklung erfordern, Verschlüsselungsmethoden anzupassen.