Im Fokus: Verordnung für ein interoperables Europa
Wie die Interoperabilitäts-Verordnung die Zusammenarbeit im öffentlichen Sektor stärken soll
Am 11. April 2024 ist die Verordnung für ein interoperables Europa („Interoperabilitäts-VO“) in Kraft getreten. Der neue europäische Rechtsakt zielt darauf ab, die Interoperabilität im öffentlichen Sektor zu verbessern. Dabei geht es schwerpunktmäßig darum, den Datenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten zu erleichtern und die Entwicklung grenzüberschreitender digitaler Dienste zu fördern. Wir stellen die Verordnung hier näher vor und zeigen die Auswirkungen für Unternehmen und Bürger:innen auf.
Auf was bezieht sich die Interoperabilitäts-VO?
Interoperabilität im öffentlichen Bereich bezeichnet die Fähigkeit von Verwaltungen, über Grenzen, Sektoren und Organisationsebenen hinweg zusammenzuarbeiten. Sie spielt eine zentrale Rolle bei der Gewährleistung sicherer Datenströme und dem Abbau von Bürokratie und Doppelstrukturen bei öffentlichen Diensten. Beispielsweise in Krisensituationen kann Interoperabilität eine verbesserte länderübergreifende Koordination bedeuten. Aber auch im Alltag der Unionsbürger:innen ist Interoperabilität von öffentlichen Diensten essenziell, etwa um in einem anderen EU-Mitgliedstaat Dokumente und Register der öffentlichen Verwaltung abrufen zu können. Ohne einheitliche Standards und Rahmenbedingungen entstehen Barrieren für den Datenaustausch und die Entwicklung gemeinsamer digitaler Dienste.
Gründung eines Beirats für ein interoperables Europa
Die EU schafft einen Beirat für ein interoperables Europa, der als zentrales Gremium für die Förderung und Koordinierung der Interoperabilität transeuropäischer digitaler öffentlicher Dienste dienen soll und prüfen, wie Barrieren innerhalb der EU abgebaut werden können. Seine Hauptaufgabe besteht darin, die strategische Zusammenarbeit öffentlicher Stellen der EU und der Mitgliedstaaten zu erleichtern und Beratung zur Anwendung der Verordnung zu leisten (Art. 6, 7, 15 Interoperabilitäts-VO). Der Beirat besteht aus Vertretern jedes Mitgliedstaats sowie einem Vertreter der Kommission. Zusätzlich können Sachverständige von relevanten Organisationen eingeladen werden. In dieser Zusammensetzung soll das Gremium einen Europäischen Interoperabilitätsrahmen (EIF) entwickeln und aktualisieren.
Die Entwicklung des EIF und des Portals für ein interoperables Europa
Inhaltlich soll der EIF Empfehlungen zur rechtlichen, organisatorischen, semantischen und technischen Interoperabilität öffentlicher Dienste und Systeme geben. Zu den Empfehlungen gehören die Einführung offener Standards und Spezifikationen für die Nutzung interoperabler IT-Systeme sowie die Vereinheitlichung von Datenmodellen. Darüber hinaus soll der Rahmen Vorschläge für die Harmonisierung von Geschäftsprozessen und Verwaltungsverfahren und die Anpassung von Rechtsvorschriften enthalten, um rechtliche Hindernisse für die Interoperabilität zu beseitigen. Konkret kann dies bedeuten, dass öffentliche Verwaltungen gemeinsame technische Protokolle und Plattformen nutzen, um Daten effizient und sicher auszutauschen. Es könnten zum Beispiel einheitliche Datenstandards oder grenzüberschreitende elektronische Signaturen eingeführt werden, sodass Informationen konsistent und verständlich zwischen verschiedenen Systemen und Ländern übermittelt werden können.
Zusätzlich wird das Portal für ein interoperables Europa als zentrale Plattform und Anlaufstelle für gemeinsame Interoperabilitätslösungen und den Wissensaustausch fungieren (Art. 8 Interoperabilitäts-VO). Das Portal soll öffentlich zugänglich sein und sicherstellen, dass Interoperabilitätslösungen, die den Grundsätzen des EIF entsprechen, transparent auffindbar sind.
Weitere Schritte
Mit Veröffentlichung im Amtsblatt der EU ist die Interoperabilitäts-VO am 11.April 2024 in Kraft getreten. Die Mitgliedstaaten mussten den Großteil der neuen Regelungen innerhalb von drei Monaten nach dem Tag des Inkrafttretens umsetzen – also bereits bis zum 12. Juli 2024. Zunächst betrifft die neue Verordnung also die Mitgliedsstaaten. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich die neuen Änderungen für Bürger:innen und Unternehmen auswirken werden.
Mit dem Ausbau digitaler öffentlicher Dienste auf EU-Ebene– so die Hoffnung – sollen Unionsbürger:innen beispielsweise durch die gegenseitige Anerkennung beruflicher und akademischer Qualifikation wie Abschlüsse und Zeugnisse profitieren. Auch den Austausch von behördlich gespeicherten Daten, wie etwa Fahrzeug- oder Gesundheitsdaten, soll durch transeuropäische digitale Dienstleistungen verbessert werden und einen Abbau bürokratischen Aufwands mit sich bringen. Konkret bedeutet dies, dass öffentliche Verwaltungen in den EU-Mitgliedstaaten in der Lage sein sollen, relevante Daten effizient, sicher und in Echtzeit auszutauschen. Beispielsweise könnte ein zentrales, interoperables Fahrzeugregister eingerichtet werden, das Daten wie Fahrzeugregistrierungen, technische Inspektionen und Versicherungsstatus speichert. Bürger:innen, die in ein anderes EU-Land ziehen, könnten ihre Fahrzeuge problemlos ummelden, ohne umfangreiche lokale Verwaltungsprozesse durchlaufen zu müssen.
Eine zentrale Herausforderung der EU und ihrer Mitgliedstaaten wird wohl darin bestehen, eine sichere und standardisierte technische Infrastruktur zu entwickeln und zu implementieren, die den Datenaustausch ermöglicht. Dies könnten Cloudlösungen, API und Blockchaintechnologien umfassen. Fortschritt im Bereich der Digitalisierung des öffentlichen Sektors und insbesondere in der Verwaltung ist jedenfalls zu begrüßen.
Ihr Ansprechpartner zum EU-Digitalrecht und Datenschutzrecht:
Dr. Matthias Lachenmann
Tel.: +49 221 / 270 956 – 180; E-Mail: matthias.lachenmann@bho-legal.com