Bürokratie schaffen, ohne den Verbraucherschutz tatsächlich zu verbessern? GRUR positioniert sich gegen bürokratische Vorgaben (auch) beim Green Claiming.
Nur die EU-Kommission kann neue Rechtsakte der EU vorschlagen – und sie kann sie jederzeit wieder zurückziehen, jedenfalls solange sie nicht verabschiedet wurden. Genau das geschieht nun mit zwei wichtigen digitalen Gesetzesvorhaben: dem Vorschlag für eine spezielle Regelung zum Haftungsrecht für Künstliche Intelligenz sowie der sogenannten ePrivacy-Verordnung, die den Schutz von Kommunikationsdaten regeln sollte. Der Rückzug aus diesen (und anderen) gesetzgeberischen Vorhaben wurde nun offiziell im veröffentlichten Arbeitsprogramm der neuen EU-Kommission bekannt gegeben.
Im Zuge der hochaktuellen Entwicklungen um die Entbürokratisierungsbemühungen aus Brüssel stellt sich die Frage, ob nicht der Ende Januar 2025 im ersten Trilog behandelte Entwurf der sog. Green Claims-Richtlinie ein ähnliches Schicksal erfahren wird. Die Stimmen, die dies befürworten, werden lauter:
Der Fachausschuss für Wettbewerbs- und Markenrecht der GRUR hat am 11. Februar 2025 eine Stellungnahme zum Entwurf der EU-Richtlinie über Umweltaussagen (« Green Claims-Richtlinie ») veröffentlicht.
Die GRUR begrüßt das übergeordnete Ziel, Verbraucher vor irreführenden Umwelt- und Nachhaltigkeitsaussagen zu schützen, kritisiert jedoch den aktuellen Entwurf der Green Claims-Richtlinie in mehreren Punkten:
- Grundsäzlicher Regelungsansatz: Die Einführung eines aufwändigen und kostspieligen Zertifizierungsverfahrens für umweltbezogene Werbung wird als hinderlich erachtet. Es wird befürchtet, dass die hohen Zertifizierungskosten letztlich auf die Verbraucher abgewälzt werden könnten. Zudem sei eine Vorabkontrolle von Werbeaussagen dem europäischen Verbraucherschutzrecht fremd.
- Verfassungsrechtliche Bedenken: Die GRUR sieht in dem Entwurf potenzielle Verstöße gegen die Berufsfreiheit und die Meinungsfreiheit. Die geplanten Regelungen könnten als unverhältnismäßige Eingriffe in diese Grundrechte angesehen werden.
- Hemmung von Innovationen: Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen könnten die vorgeschlagenen Regelungen eine erhebliche Belastung darstellen und somit die Innovationskraft im Bereich Umwelt- und Klimaschutz beeinträchtigen.
Die GRUR spricht sich dafür aus, den bestehenden Rechtsrahmen der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-RL, 2005/29/EG) zu nutzen, der bereits einen flexibleren und dennoch angemessenen Schutz vor irreführenden Umweltaussagen bietet. Dabei bezieht sich die GRUR auf die erst jüngst reformierte Fassung der UGP-RL, die in maßgeblichen Punkten nach der Umsetzung der EmpCo-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/2161) im Bereich der Umweltaussagen („Green Claims“) erweitert worden ist, nämlich insbesondere:
- Ein Verbot unbegründeter allgemeiner Umweltbehauptungen (z. B. „umweltfreundlich“, „klimaneutral“), wenn diese nicht durch klare Beweise gestützt werden.
- Ein Verbot von Nachhaltigkeitsangaben, die auf Selbstzertifizierungen ohne unabhängige Prüfung beruhen.
Der Ansatz der GRUR findet durchaus Sympathie: Anstatt neuer bürokratischer Hürden sollte der Fokus auf der Förderung von Transparenz und der Unterstützung von Unternehmen bei der Entwicklung und Kommunikation ehrlicher und belegbarer Umweltaussagen liegen. Denn konkrete Auslegungs- und Anwendungshilfen für Unternehmen, die die neuen Generalklauseln der neuen UGP-Richtlinie mit Bezug zu Umweltaussagen konkretisieren, gibt es bislang nicht.
BHO behält den Gesetzgebungsprozess und die weiteren Entwicklungen zur Konkretisierung der künftig zulässigen Werbung mit Umweltaussagen im Auge und berichtet über die neuesten Entwicklungen.
Ihre Ansprechpartner für Wettbewerbs- und Marketingrecht:
Dr. Philip Lüghausen
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