Ausgestaltung der Zuschlagskriterien kann Gesamtvergabe erforderlich machen
VK Bund, Beschl. v. 26.02.2024 – VK2-11/24
Mit Nachprüfungsantrag vom 23. Januar 2024 wendete sich ein Bieter gegen die von einem öffentlichen Auftraggeber gewählte Losaufteilung. Der Auftraggeber hatte u.a. die Erneuerung von ca. 90.000 m2 Asphaltfahrbahn ausgeschrieben und für die 21.000 m Weißmarkierung, die in diesem Zusammenhang beschafft werden mussten, kein eigenes Los gebildet.
Der Antrag bleibt erfolglos. Die Vergabekammer stimmt dem Antragssteller zwar insoweit zu, als dass sie anerkennt, dass in diesem Fall grundsätzlich ein Fachlos zu bilden gewesen wäre, weil ein eigenständiger Markt bestehe. Der Grundsatz kenne jedoch Ausnahmen, die vorliegend einschlägig seien.
Nach § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB können mehrere Teil- oder Fachlose zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Solche Gründe erkannte die Vergabekammer u.a. in der vom Auftraggeber angeführten erhöhten Unfallgefahr im Baustellenbereich, in volkswirtschaftlichen Nachteilen infolge von Zeitverlust durch Staugeschehen und in ökologischen Nachteilen durch staubedingte Emissionen. Hinsichtlich des letzten Aspekts wies die Vergabekammer insbesondere auf § 13 Abs. 2 Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) hin. Der Auftraggeber hatte einen fehlenden Koordinierungsaufwand mehrerer Lose gerade nicht als Grund für den Verzicht auf Fachlose angeführt, sondern über die Ausgestaltung der Zuschlagskriterien, die Bauzeit möglichst kurz halten wollen. Bieter waren aufgefordert, ihre Preise und die Anzahl der Werktage, die für die Leistung benötigt werden, anzubieten. Für die Wertung wurden auf den Preis ein vom Auftraggeber festgelegter Aufschlag pro Tag hinzugerechnet (sog. „Verfügbarkeitskosten“).
Folge dieser Ausgestaltung sei laut der Vergabekammer, dass eine Fachlosvergabe zeitgleich mit der Vergabe der wirtschaftlich relevanteren Leistung nicht möglich sei. Der Auftragnehmer der Hauptleistung bestimme seine Ausführungsfrist (innerhalb eines vom Auftraggeber gesetzten Rahmens) selbst. Daher könne bei einer Fachlosvergabe für die Weißmarkierungsleistungen keine Ausführungsfrist festgelegt werden, so dass eine erschöpfenden Leistungsbeschreibung dieses hypothetischen Fachloses nicht möglich sei (§ 121 GWB).
Dieses Vorgehen ist nach Ansicht der Vergabekammer ein geeignetes Vorgehen, um den gegebenen wirtschaftlichen und technischen Gründen gerecht zu werden. Die Vergabekammer geht auch davon aus, dass das Vorgehen erforderlich ist. Dies sei nicht nur bei vollkommener Alternativlosigkeit der Fall, denn „eine Alternativlosigkeit bei der Frage nach der Losaufteilung dürfte in der Praxis kaum vorkommen“. Die Vergabekammer geht davon aus, dass eine Erforderlichkeit gegeben sei, wenn eine Verhältnismäßigkeit gegeben sei. Zwar hatte die Antragsstellerin andere Vergabeverfahren dargestellt, in der alternative Maßnahmen zur Erreichung ähnlicher Ziele ergriffen wurden. Die Vergabekammer bezog diese Möglichkeiten jedoch nicht in die Bewertung ein, da es sich gerade nicht um Projekte gehandelt habe, bei denen ein über das allgemeine und stets gegebene Beschleunigungsinteresse vorlag.
PRAXISHINWEIS:
Die Entscheidung ist für öffentliche Auftraggeber interessant, bei denen sachliche Gründen gegen eine Fachlosbildung sprechen und diese insbesondere über die Ausgestaltung der Zuschlagskriterien abgebildet werden. Zu kurz kommen leider die Hinweise dieser Entscheidung zu der Frage, wie intensiv alternative Vorgehensweisen, die die Losaufteilung erhalten, geprüft werden müssen. Zu beachten ist auch, dass auch ein rechtmäßiges Absehen von einer Losaufteilung eine Verzögerung durch ein Nachprüfungsverfahren auslösen kann (hier: ca. einen Monat). Das ist bei einer etwas weitergehenden Losaufteilung regelmäßig nicht zu befürchten, insbesondere wenn keine Loslimitierung vorgesehen ist.
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