Weiteres Urteil zur Dienstleistungskonzession und ÖPP
Der EuGH hat am 15.10.2009 erneut über einen Fall entschieden, in welchem eine Dienstleistungskonzession vergeben wurde (Rs. C-196/08). Der Fall spielt in Italien. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatten sich mehrere Gebietskörperschaften zusammengeschlossen („ATO“), um gemeinsam für den integrierten Wasserversorgungsdienst von Ragusa zuständig zu sein. Die ATO wandelte sich in eine Aktiengesellschaft um. Nach deutschem Recht also in ein kommunales Unternehmen. Eine solche formelle Privatisierung ist vergaberechtsfrei, da auch nach europäischem Recht den staatlichen Einrichtungen keine Handlungsform vorgeschrieben wird. Nun wollte die ATO in einem zweiten Schritt privates Kapital einbringen. Hierzu schrieb sie im EU-Bekanntmachungsblatt einen geeigneten Gesellschafter aus, welcher anschließend die Aufgabe des integrierten Wasserversorgungsdienstes erbringen sollte. Drei Unternehmen meldeten sich, eines wurde frühzeitig wegen Ungeeignetheit ausgeschlossen, ein anderes hatte dann doch keine Lust mehr, ein Angebot abzugeben. Es verblieb ein Unternehmen, Acoset, die sich nun auf die Durchführung der Konzession – für immerhin 30 Jahre – freute. Dies schien dem Hauptgesellschafter der ATO, der gleichzeitig ausschreibende Stelle war, nicht besonders zu gefallen. Es wurde daher beschlossen, die Ausschreibung aufzuheben.
Begründung: Man wolle nicht gegen das europäische Vergaberecht verstoßen, denn die nunmehr zu erfolgende Beauftragung der Acoset dürfe nicht freihändig vergeben werden. Hiergegen wandte sich die Acoset gerichtlich. Das Gericht legte dem EuGH die Frage vor, ob – verkürzt formuliert – nach Ausschreibung des privaten Gesellschafters die anschließende Aufgabenübertragung ihrerseits ausschreibungspflichtig sei. Die Frage verneinte der EuGH zu Recht mit dem auf der Hand liegenden Argument, dass dies einer Doppelausschreibung gleichkäme, welcher unwirtschaftlich sei und der Förderung des Modells der ÖPP entgegenstünde (Rn. 59 und 61). Bevor der EuGH jedoch zu diesem Schluss gelangte, prüfte er schulbuchhaft die Voraussetzungen der Dienstleistungskonzession. Er stellte zunächst fest, dass es sich um die Vergabe einer Dienstleistungskonzession handelt und dass auf diese zwar nicht die Vergaberichtlinien Anwendung finden, allerdings die allgemeinen Grundsätze des EGV. Diese waren vorliegend auch anzuwenden, da die Voraussetzungen des In-House-Geschäftes nach den Teckal-Kriterien nicht vorlagen. Grund: es sollte privates Kapital einfließen. Der EuGH machte damit erneut klar, dass bei einer In-House-Vergabe überhaupt kein Vergaberecht Anwendung findet, also auch nicht das Primärvergaberecht des EGV; im Unterschied zur Dienstleistungskonzession (vgl. ausführlich Ortner, Die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen). Vorliegend habe ATO bei der Suche nach einem privaten Gesellschafter den Grundsätzen des EGV genügt. So heißt es in Rn. 60: „Da die Eignungskriterien für den privaten Gesellschafter nicht nur auf das eingebrachte Kapital, sondern auch auf seine technische Fähigkeit und die Merkmale seines Angebots im Hinblick auf die konkret zu erbringenden Leistungen abstellen und dieser Gesellschafter, wie im vorliegenden Fall, mit der operativen Tätigkeit der fraglichen Dienstleistung und damit deren Verwaltung betraut wird, kann angenommen werden, dass sich die Auswahl des Konzessionärs mittelbar aus der des Gesellschafters ergibt, die nach einem Verfahren unter Wahrung der gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze getroffen wurde, weshalb ein zweites Ausschreibungsverfahren für die Auswahl des Konzessionärs nicht gerechtfertigt wäre.“ Ein weiteres Ausschreibungsverfahren für die anschließende Beauftragung ist also nicht erforderlich.
Was wird das vorlegende Gericht daraus machen? Der Grund für die Aufhebung der Ausschreibung besteht nun nicht mehr, die Aufhebungsentscheidung ist rechtswidrig. Wenn die Beschaffungsabsicht der ATO weiter besteht, wovon auszugehen ist, dürfte ATO die Acoset beauftragen müssen. Der Umstand, dass nur noch die Acoset als Bieterin verblieben ist, dürfte nicht relevant sein, da zuvor eine Auswahl unter mehreren stattgefunden hat (vgl. Parallelurteil vom 15.10.2009, Rs. C-196/08). Die Anforderungen an die Auswahl einer Mindestanzahl an Bietern dürfte vorliegend ohnehin schwächer sein als bei einer „normalen Vergabe“, bei welcher die Vergaberichtlinien entsprechende Vorgaben festlegen, die jedoch mangels Gesetzeslücke nicht ohne Weiteres analog auf die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen übertragbar sind.