Datenschutz als Freifahrtschein für Falschparker? BHO Legal unterstützt Anzeigenerstatter
Ist es Bürger:innen gestattet, Ordnungswidrigkeiten bei der Polizei anzuzeigen und dabei Beweise vorzulegen? Verschiedene Datenschutzbehörden der Bundesländer meinen: Nein. Sie gehen derzeit gegen Bürger:innen vor, die falsch parkende Autos fotografieren und dem Ordnungsamt oder der Polizei melden. In Bayern verhängte das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA) mehrere Verwarnungen gegen Einzelpersonen und forderte sie auf, das Fotografieren von Fahrzeugen zu unterlassen.
Gegen die Verwarnung und Unterlassungsaufforderung des BayLDA klagen wir für einen Betroffenen, aber auch mehrere andere Bürger gehen dagegen vor. Wir wollen erreichen, dass gerichtlich klargestellt wird, dass das Verarbeiten von Beweisen für Anzeigen an staatliche Stellen zulässig ist. BHO Legal vertritt einen der Kläger, ein anderer wird von der deutschen Umwelthilfe (DUH) unterstützt. Inzwischen hat das BayLDA die Praxis eingestellt und verhängt keine neuen Verwarnungen gegen andere Bürger:innen. Während in Bayern nun die gerichtliche Klärung der Frage abgewartet wird, verfolgen andere Datenschutzbehörden, z.B. in Hessen, weiterhin engagierte Bürger.
Der Fall:
Unser Mandant ist viel zu Fuß und mit dem Fahrrad auf den Straßen Münchens unterwegs, auch in seinem ruhigen Wohngebiet mit seinen Kindern. Jeden Tag werden er und seine Familie durch Falschparker behindert, die oft ein Ausweichen auf die Fahrbahn erzwingen. Unser Mandant meldete sich bei Ordnungsamt und Polizei und bat darum, für mehr Sicherheit in dem Wohngebiet zu sorgen, was aber nicht erfolgte. Auch die persönliche Ansprache von Fahrern sorgte nicht für ein Einlenken. Er begann also, falsch parkende Pkw und Lieferwagen, die offensichtlich verkehrsrechtswidrig geparkt waren, zu fotografieren (ohne die Fahrer:innen) und bei der Polizei zu melden. Anfangs erbat die Polizei selbst noch Fotos, um die Verstöße bearbeiten zu können. Später änderte sich der Ton und die Polizei versuchte, unseren Mandanten abzuwimmeln und wollte die Fälle nicht bearbeiten.
Die Eskalation erfolgte, als die Polizei weiter gegen Falschparker untätig blieb, aber unserem Mandanten einen Datenschutzverstoß vorwarf und die Fälle dem BayLDA meldete, die für die Überwachung der Datenschutzvorgaben im privaten Bereich zuständig sind. Das BayLDA sprach eine Verwarnung aus und wollte unseren Mandanten verpflichten, keine Fotos mehr von den begangenen Ordnungswidrigkeiten zu machen. Das können wir so nicht auf uns sitzen lassen und kämpfen für das Recht in gutem Glauben, Ordnungswidrigkeiten und Straftaten bei den staatlichen Stellen melden und dabei Beweise vorlegen zu dürfen. Unser Mandant hat bei dem Verwaltungsgericht Ansbach Klage gegen das BayLDA erhoben und beantragt, die Verwarnung aufzuheben.
Die Ubiquität von Kameras im öffentlichen Raum führt zu einer Vielzahl von Fragen über Persönlichkeitsrechte und der Möglichkeit, sich grundsätzlich frei im öffentlichen Raum bewegen zu können (man denke nur an die Diskussion über Dashcams). Die Diskussion über Klimawandel und die nötige Verkehrswende ist in vollem Gange, selbst das Bundesverfassungsgericht forderte die Regierungen zum Handeln auf. Ein kleiner Bestandteil solcher Fragen wird am 2. November 2022 in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Ansbach diskutiert werden.
Unsere Bewertung des Falls:
Wir sind in dem Verfahren siegesgewiss und hoffen auf eine gerichtliche Klarstellung, dass die Anfertigung und das Weiterleiten von Fotos zu Beweiszwecken rechtmäßig sind. Mit einem Urteil können wir hoffentlich die rechtlichen Risiken für Bürger:innen einschränken, wenn sie Fälle an staatliche Behörden melden.
Wir stufen die vom BayLDA ausgesprochene Verwarnung gegenüber unserem Mandanten als rechtswidrig ein und möchten die Aufhebung erreichen. Entgegen der Ansicht des BayLDA hat unser Mandant nicht gegen die DSGVO verstoßen, da – wenn man die Anwendbarkeit der DSGVO überhaupt bejaht – eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung besteht. Wir sehen die Verarbeitung als rechtmäßig an, insbesondere aus folgenden Gründen:
- Durch das ordnungswidrige Abstellen der Fahrzeuge geht für alle zu Fuß Gehenden und insbesonders Kinder, sowie auch für unseren Mandanten eine Gefahr aus (selbst wenn z.B. im Moment des Fotografierens die andere Straßenseite genutzt würde).
- Die Fahrer:innen der Fahrzeuge begehen Rechtsverstöße im öffentlichen Raum und können nicht erwarten, dass sie ungesühnt bleiben. Kraftfahrzeuge müssen Kennzeichen haben, um bei Vorfällen ermittelt werden zu können. In der Öffentlichkeit besteht generell keine Anonymitätserwartung. Verkehrsteilnehmer müssen damit rechnen, dass man sie in bestimmten Fällen persönlich identifizieren kann.
- Es werden keine Fotos von Personen angefertigt, sondern nur von den Fahrzeugen. Damit werden keine personenbezogenen Daten von den konkreten Täter:innen verarbeitet, sondern nur abstrakt von den Halter:innen.
- Die Sanktionierung unseres Mandanten mittels der Verwarnung verstößt gegen die Verfassung. Das Recht zur Erstattung von Anzeigen lässt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip herleiten und darf nicht durch Sanktionen vereitelt werden, wie das Bundesverfassungsgericht bereits mehrmals entschieden hat (und in Erwägungsgrund 50 DSGVO – etwas verklausuliert – betont wird).
- Die Fotos dienen auch dem Schutz gegen den möglichen Vorwurf einer falschen Verdächtigung gem. § 164 Abs. 2 StGB im Falle einer Anzeige ohne Beweismittel. Mit den Fotos können die Anzeigenden nachweisen, dass die Fahrzeuge tatsächlich ordnungswidrig abgestellt wurden.
Ihr Ansprechpartner und Pressekontakt zu dem Fall:
Dr. Matthias Lachenmann, Rechtsanwalt und Partner
Telefon: +49 221 / 270 956 – 180, E-Mail: matthias.lachenmann@bho-legal.com
Weitere Informationen zu dem Themenfeld:
- Bericht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 16.12.2021
- Ausführliche rechtliche Einschätzung des Kollegen Michael Kamps, Blog CMS Hasche Sigle, 02.2022
- Bericht beim Bayerischen Rundfunk, 22.03.2022
- Pressemitteilung der Deutsche Umwelthilfe (DUH), 22.03.2022
- Pressemitteilung der Deutsche Umwelthilfe (DUH), 20.07.2022